Der Versuch, die Rentabilität zu beurteilen, indem eine Zahl aus der Gewinn- und Verlustrechnung in Relation zu einer Bezugsgröße gesetzt wird, führt unweigerlich zu Fehlsteuerungen.
Inhaltsverzeichnis:
1. Sind „Rentabilität“ und „Profitabilität“ Synonyme?
A. Kann die Rentabilität anhand der Einnahmen beurteilt werden?
B. Liquidität als Grundlage für die Beurteilung der Rentabilität des Unternehmens
C. Das Verhältnis zwischen Kapitaleinsatz und Rentabilität
3. Das Verhältnis zwischen Risiko und Rentabilität
4. Beziehung zwischen Risiko und menschlichem Faktor
A. Das Verhältnis zwischen Risiko und menschlicher Faktor!
B. Der Zusammenhang zwischen Rentabilität und der Einstellung der Akteure
5. Prozessdenken ist der Weg zu höherer Rentabilität
6. Der Zusammenhang zwischen Hierarchie und Rentabilität
A. Leitende Tätigkeiten sind nicht notwendigerweise hierarchisch organisiert
Zunächst eine Begriffsklärung:
1. Sind „Rentabilität“ und „Profitabilität“ Synonyme?
Für beide Begriffe gilt: Eine Zahl A im Zähler wird zu einer Bezugsgröße B im Nenner in Beziehung gesetzt.
Die Rentabilität ist eine Kennzahl zur Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolges eines Unternehmens. Der Begriff Umsatzrentabilität kann daher synonym mit dem Begriff Profitabilität verwendet werden.
Denn unter Profitabilität wird in der Regel die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden, (nachhaltig) Gewinne zu erwirtschaften. Dazu werden in der Regel zwei Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung ins Verhältnis gesetzt: Das Betriebsergebnis oder EBIT im Verhältnis zu den Umsatzerlösen.
Mit dieser Formel bin ich nicht zufrieden. Denn wenn es um die Auswahl von Kennzahlen geht, mit denen ein Manager die Profitabilität seines Unternehmens beurteilen kann, dann gilt für mich folgende Regel:
Alle Formeln, die auf Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung basieren, sind letztlich unbrauchbar.
1.A. Kann die Rentabilität anhand der Einnahmen beurteilt werden?
Das Hauptproblem besteht darin, dass in der Gewinn- und Verlustrechnung ein Umsatz ausgewiesen wird, nur weil eine Rechnung ausgestellt wurde. Ob und wann das Geld für diese Rechnung tatsächlich eingeht, wird absurderweise nicht berücksichtigt.
Fakt ist: Nur das tatsächlich eingenommene Geld ist letztlich relevant, denn nur dann können damit die Gehälter der Mitarbeiter bezahlt und die Rechnungen der Lieferanten beglichen werden.
(Vgl.: Sind Umsatzsteigerung und Wachstum per se positiv?! Teil 3)
1.B. Liquidität als Grundlage für die Beurteilung der Rentabilität des Unternehmens
Eine systemseitig relativ einfach zu ermittelnde Kennzahl, um diese Unlogik zu beheben, wäre die Kennzahl Operativer Cashflow. D. h. die aus der Geschäftstätigkeit erwirtschafteten liquiden Mittel als Differenz zwischen Ein- und Auszahlungen. Diese Kennzahl ist ggf. noch um kalkulatorische Kosten zu bereinigen.
Aus dieser Zahl eliminiere ich noch die Veränderung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und berücksichtige diese an anderer Stelle. Denn wenn der Unternehmer sich vertragsbrüchig verhält und fällige Lieferantenrechnungen unbezahlt lässt, wird er dafür mit einem Anstieg des operativen Cashflows belohnt. Dies führt meines Erachtens die Aussagekraft dieser Kennzahl ad absurdum!
Eine aussagekräftigere Formel zur Beurteilung der nachhaltigen Profitabilität bzw. der “Umsatzrentabilität” des Unternehmens lautet daher wie folgt:
Profitabilität = bereinigter operativer Cashflow im Verhältnis zu den gesamten Kundeneinzahlungen.
Reicht diese Kennzahl aus, um den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens umfassend beurteilen zu können?
Leider nein.
1.C. Das Verhältnis zwischen Kapitaleinsatz und Rentabilität
Nehmen wir als Beispiel ein Unternehmen mit Kundeneinzahlungen von 1 Mio. und einem operativen Cashflow von 200k. In diesem Fall können wir eine durchaus respektable und komfortable Profitabilitätsquote von 20% errechnen.
Nehmen wir jedoch an, dass das Unternehmen zuvor 20 Mio. investieren musste, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Vor dem Hintergrund der Investitionsaufwendungen erscheinen die 200k nun als lächerliche Investitionsrendite.
Vereinfacht ausgedrückt könnte man dieses Unternehmen als profitabel, aber nicht unbedingt als rentabel bezeichnen. Es empfiehlt sich daher, das betriebsnotwendige Kapital in die Rentabilitätsbetrachtungen einzubeziehen:
Rentabilität = bereinigter operativer Cashflow im Verhältnis zum betriebsnotwendigen Kapital.
Sind die typischen Maßnahmen, die zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ergriffen werden, angemessen?
Denn fast zwangsläufig richtet sich das Augenmerk auf die möglichst schnelle und unmittelbare Steigerung des Wertes, den man in den Zähler gestellt hat: EBIT, bereinigter operativer Cashflow oder was auch immer – und das trotz der komplexen Kausalität von Ursache und Wirkung.
(Vgl.: „Komplexität: Ihr Unternehmen wird immer komplexer. Was jetzt?“)
Deshalb wird versucht, die Kosten zu senken, indem z.B. Personal abgebaut oder billigere – aber qualitativ schlechtere – Lieferanten beauftragt werden. Dies führt in der Regel nur zu Folgekosten durch Produktivitätsverluste und Mängelbeseitigung.
Alternativ investieren Unternehmen beispielsweise in riskante Wachstumsstrategien, um ihren Umsatz zu steigern. Riskant deshalb, weil man mit jedem „falschen“ Kunden, den man sich im Zuge der Expansion teuer erkauft, das Risiko des Unternehmens erhöht und die Produktivität und Rentabilität des Unternehmens gefährdet.
(Vgl.: „Sind Umsatzsteigerung und Wachstum per se positiv?! Teil 2“)
Apropos riskant – das ist der Übergang zu der entscheidenden Komponente, die es zu berücksichtigen gilt.
3. Das Verhältnis zwischen Risiko und Rentabilität
In einem anschaulichen Beispiel sollen zwei Unternehmen betrachtet werden, die beide Einzahlungen von Kunden in Höhe von jeweils 1 Mio. und einen Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit in Höhe von 200k aufweisen.
- Das Unternehmen 1 generiert diese Cashflows mit einem einzigen Großkunden, der jedes Jahr neu entscheidet, ob er die Geschäftsbeziehung fortsetzen will. Wenn nicht, wird das Unternehmen wahrscheinlich aus dem Markt ausscheiden.
- Das 2. Unternehmen generiert diese Cashflows mit Tausenden von Kleinkunden, die über viele Jahre an das Unternehmen gebunden sind.
Die rhetorische Frage lautet hier: In welches Unternehmen würden Sie Ihr Geld lieber investieren?
Damit haben wir den Blick auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens gelenkt und implizit drei neue Variablen eingeführt, die wir bei der Beurteilung der Rentabilität des Unternehmens unbedingt berücksichtigen müssen:
- Welches sind die wesentlichen Risikoparameter, die dem Geschäftszweck zugrunde liegen, und unter Berücksichtigung dieser Parameter
- mit welcher Bandbreite möglicher Renditen können wir in Zukunft rechnen und
- mit welchem Erwartungswert innerhalb dieser Bandbreite sollten wir rechnen?
Wie man (altmodisch-) deterministisch oder (modern-) stochastisch Szenarien berechnet, um die obigen Fragen beantworten zu können, ist ein durchaus spannendes Thema für sich, das jedoch den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde.
Dabei gilt: Je höher das Risiko, desto höher die Risikokosten, die das Unternehmen berücksichtigen muss.
(Vgl.: „Investment Banking für den Mittelstand?“) Für das Unternehmen stellt sich daher die Frage: Ist die errechnete Rentabilität unter Berücksichtigung der Risikokosten angemessen?
4. Der Faktor Mensch wird vernachlässigt
Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist der Faktor Mensch. Ein Faktor, der häufig vernachlässigt wird. Vermutlich, weil es keine Standardmodelle und Softwarelösungen gibt, die die Berechnung erleichtern.
Eine konkrete Berechnung ist aber meines Erachtens gar nicht notwendig. Meist genügt es, sich einfach die Frage zu stellen: Erhöht oder verringert dies oder jenes mein unternehmerisches Risiko?
4.A. Beziehung zwischen Risiko und menschlichem Faktor
Beurteilen Sie selbst: Erhöht oder verringert es das unternehmerische Risiko bzw. die nachhaltige Rentabilität des Unternehmens?
- Mit einer Automatisierungskampagne stellt man die Belegschaft vor vollendete Tatsachen. Und dies, obwohl nach den vorliegenden Informationen davon auszugehen ist, dass die Umsetzung des Projekts an ihrer Blockadehaltung scheitern wird.
- Der alleinige Geschäftsführer ist gleichzeitig Vertriebsleiter, jettet in einer 80-Stunden-Woche um die Welt und die ersten gesundheitlichen Folgen machen sich bereits bemerkbar.
- Eine Schlüsselperson im Unternehmen, die sich in einer Flaschenhalsposition befindet, hat Nachwuchs bekommen, macht aber aus der Not heraus immer noch Überstunden und hat deshalb ständig Streit zu Hause, weil sie nicht genug Zeit mit ihrer Familie verbringt.
- Ein cholerischer Vorgesetzter behandelt seine Mitarbeiter schlecht, die Fluktuation in seiner Abteilung ist sehr hoch und das Unternehmen wird in Arbeitgeberbewertungsportalen zerrissen.
Um an dieser Stelle ein plakatives Zwischenfazit zu ziehen:
Wer sich um das Wohl seiner Mitarbeiter kümmert, ist nicht unbedingt ein guter Mensch, …
… aber auf jeden Fall ein guter Kaufmann, der die nachhaltige Rentabilität des Unternehmens im Auge hat!
4.B. Der Zusammenhang zwischen Rentabilität und der Einstellung der Akteure
Der Faktor Mensch ist in der Tat der Schlüssel zu einer nachhaltigen Rentabilität des Unternehmens.
- Nicht mehr Umsatz führt zu mehr Rentabilität, sondern die innere Haltung, die Einstellung, das Mindset der Schlüsselpersonen, die ihre Marketingkampagnen kundenorientiert gestalten und keine falschen Erwartungen wecken.
(Vgl.: „Marketing-Sprech ist allgegenwärtig“) - Es ist die Einstellung, die dafür sorgt, dass der Kundenauftrag so gut geklärt ist, dass er schlank und zur vollen Zufriedenheit des Kunden abgewickelt werden kann.
- Es ist die Einstellung, die dafür sorgt, dass man unaufgefordert und rechtzeitig alle Informationen an die Schnittstellenkollegen weitergibt, damit diese produktiv arbeiten und ihre Arbeit ordentlich und vor allem fehlerfrei erledigen können.
- Es ist die Einstellung, die vor allem dafür sorgt, dass man am Ball bleibt, damit der Kunde seine Rechnung bezahlt.
(Vgl.: „Keine Lösung in Sicht? Dann versuchen Sie es mit einer Anpassung Ihres Mindset!“)
5. Prozessdenken ist der Weg zu höherer Rentabilität
Der wichtigste Schritt auf dem Weg dorthin besteht darin, das Periodendenken mit seinen Kennzahlen beiseite zu lassen und stattdessen das Prozessdenken im Unternehmen zu kultivieren.
Denn ein Unternehmen stellt Fachkräfte ein, die arbeitsteilig arbeiten sollen. Das Output, das eine Fachkraft mit ihrer Arbeitsleistung produziert, wird an anderer Stelle von einer anderen Fachkraft als Input benötigt, um damit weiterzuarbeiten.
Die Dauer vieler dieser Tätigkeiten ist in der Regel nicht fix, sondern hat eine Bandbreite. Diese Bandbreite wird wesentlich durch den Faktor Mensch beeinflusst, insbesondere durch unklare und widersprüchliche gegenseitige Rollenerwartungen.
(Vgl.: „Rollenunklarheit & Rollenkonflikte“)
Höhere Rentabilität durch Prozesskostenrechnung
Dies vorausgeschickt, ja, die Personalkosten sind in der Tat ein wesentlicher Bestandteil jeder Maßnahme zur nachhaltigen Verbesserung der Rentabilität.
Aber nicht durch unsinnige Maßnahmen wie Massenentlassungen oder den Ersatz von Fachkräften durch minderqualifizierte Leiharbeiter, sondern durch die Ermittlung der Bandbreite der tatsächlichen Tätigkeitsdauern und deren kalkulatorische Bewertung. Mit anderen Worten: die (Personal-)Kosten verursachungsgerecht den Tätigkeiten zuzuordnen.
Nur so lässt sich herausfinden, was getan werden muss, um die Prozessdauer und deren Bandbreite positiv zu beeinflussen. Nur so kann festgestellt werden, ob eine Digitalisierungs- oder Automatisierungskampagne einen Mehrwert verspricht oder nicht.
(Vgl.: „Digitalisierung = Geldverbrennung?“)
6. Der Zusammenhang zwischen Hierarchie und Rentabilität
Abschließend möchte ich Sie auf eine weitere typische Baustelle aufmerksam machen, deren Bearbeitung leider unumgänglich ist: die Hierarchie!
In einem Unternehmen gibt es leitende Angestellte und Fachkräfte. Wenn es also darum geht, die Rentabilität nachhaltig zu steigern, stellt sich die Frage: Wie ist die Arbeit zwischen ihnen verteilt? Wer macht eigentlich was? Die Frage mag trivial erscheinen, aber ich versichere Ihnen, sie ist alles andere als das.
Auf der einen Seite haben wir das Konzept der Seniorität: Der Junior lernt vom Senior. Der Senior hat das Sagen.
Aber was ist zum Beispiel mit einem jungen Menschen, der als Sohn oder Tochter des Inhabers die Geschäftsführung übernimmt? Jemand, der – gemessen an den Berufsjahren – als Junior gelten könnte und dem viele Senior-Fachkräfte unterstellt sind? Oder eine Einheit hochspezialisierter Experten? Worin besteht in solchen Fällen der Mehrwert der Person in leitender Position?
6.A. Leitende Tätigkeiten sind nicht notwendigerweise hierarchisch organisiert
Die Antwort liegt hoffentlich auf der Hand, denn auf der anderen Seite haben wir es mit dem Konzept der leitenden Tätigkeiten zu tun.
Die leitenden Tätigkeiten funktionieren jedoch nicht nach dem Senior-Junior-Konzept, sondern sind eine Dienstleistung, die zum Wohle des Unternehmens und seiner Fachkräfte zu erbringen ist.
Das Problem sehr vieler Unternehmen: Leitende Positionen sind nach dem Senior-Junior-Konzept besetzt und die leitenden Tätigkeiten sind weitestgehend vakant.
(Vgl.: „Was ist der Mehrwert eines Vorgesetzten?“)
Werbung in eigener Sache
Im Online-Kurs „Leitende Tätigkeiten versus Hierarchien“ werden die hierarchischen Rollen „Fachkraft“, „Unternehmer“, „Manager“ und „Führungskraft“ ausführlich behandelt. Dabei grenzen wir das Konzept der leitenden Tätigkeiten vom Senioritätskonzept ab. Sie erhalten eine Checkliste, um Ihr eigenes hierarchisches Rollenverständnis zu hinterfragen.
Fazit:
- Die nachhaltige Rentabilität eines Unternehmens anhand einer GuV-Zahl beurteilen zu wollen, führt fast zwangsläufig zu falschen Maßnahmen.
- Es ist unbedingt erforderlich, das mit dem Renditeziel verbundene Risiko zu erkennen und gegebenenfalls die Risikokosten zu ermitteln.
- Der Faktor Mensch ist der Schlüssel zur nachhaltigen Rentabilität des Unternehmens. Denn es ist in erster Linie die Einstellung der handelnden Personen, die für schlanke und produktive Prozesse sorgt.
- Wenn es um die Frage der nachhaltigen Steigerung der Rentabilität geht, ist es unumgänglich, zuerst die Frage zu beantworten: Was ist eigentlich unser Führungsverständnis?