Unternehmertum ohne Umsatzsteigerung und Wachstum ist undenkbar. Aber: Die üblichen Instrumente zur Umsetzung sind unbrauchbar & die richtigen fehlen!
Unternehmertum ohne Umsatzsteigerung und Wachstum ist undenkbar. Aber: Die üblichen Instrumente zur Umsetzung sind unbrauchbar & die richtigen fehlen!

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Sind Umsatzsteigerung und Wachstum per se positiv?! (Teil 1)

6 Min.

Unternehmertum ohne Umsatzsteigerung und Wachstum ist undenkbar. Aber: Die üblichen Instrumente zur Umsetzung sind unbrauchbar & die richtigen fehlen!

Umsatzsteigerung und Wachstum sind mit der Geschäftswelt so dogmatisch verbunden, wie das Neue Testament mit dem Christentum.

Callcenter-Dienstleister, Verkaufstrainer, Vertriebsprozessoptimierer, Marketingspezialisten, CRM-Anbieter, …, so unglaublich viele Anbieter auf dem Markt sind darauf ausgerichtet, Unternehmen bei diesem Ziel zu unterstützen.

 „Warum streben Sie eigentlich nach Umsatzsteigerung bzw. Wachstum?

Wenn ich gelegentlich meinem Gegenüber diese Frage stelle, erwische ich es nicht selten auf dem falschen Fuß. Denn diese Frage stellt sich irgendwie nicht.

Der wahre Grund, warum Sie Umsatzsteigerung bzw. Wachstum als Ziele verfolgen, ist vermutlich emotionaler Natur. Ein Grund, den Sie sich als Unternehmer eher selten eingestehen. Beispielhaft:

  • Weil es sich richtig gut für Sie anfühlt, wenn Sie auf der Website schreiben können, dass Sie Filialen in London, Schanghai und New York haben.
  • Weil Sie von anderen als erfolgreich wahrgenommen und deren Respekt verdienen werden.

Die Antwort, die ich hingegen auf meine Frage erhalte, ist in der Regel „verkopft“. Mein Gegenüber sucht nach einer logisch klingenden Begründung und sagt bzw. umschreibt letztlich in aller Regel das: „Das Ziel verfolge ich wegen positiver Skaleneffekte“.

Positive Skaleneffekte

Umsatzsteigerung und Wachstum sollen unterm Strich dafür sorgen, dass die Kosten – auf ein produziertes bzw. abgesetztes Stück runtergebrochen – immer kleiner ausfallen.

Woran könnten Sie überprüfen, dass diese Hypothese stimmt und die Wette aufgeht? An einer steigenden Gewinn-/ EBITDAMarge des Unternehmens – ausgedrückt in % des Umsatzes.

Das erste Mal, als ich darüber gestolpert bin, dass wohl irgendetwas mit dieser Theorie nicht stimmt, war in meinem „früheren Leben“ als (Investment-)Banker.

In vielen Kreditberichten war die Rede von positiven Skaleneffekten. Aber ich konnte diesen Effekt oft nicht in den Zahlen der Kundenunternehmen erkennen.

  • Meine Unternehmenskunden haben natürlich hier und da eine höhere Marge auswiesen im Vergleich zum Vorjahr. Aber eben nicht als ein erkennbarer mehrjähriger positiver Trend passend zum Trend der kontinuierlichen Umsatzsteigerung!
  • Das Unternehmen hat womöglich Jahr für Jahr einen höheren Euro-Betrag ausgewiesen, aber eben nicht eine höhere %-Marge.

Sie mögen einwenden: Ja, wo ist denn da das Problem? Hauptsache es bleiben mehr Euros unterm Strich hängen.

Das wäre womöglich eine Milchmädchenrechnung von Ihnen, da das Wachstum Vorfinanzierung verlangt, und sich die Schwankungsbreite der Cashflows erhöht. Dies kann, sofern die Finanzierungsvoraussetzungen dafür nicht vorliegen, zu einem Anstieg Ihrer Insolvenzwahrscheinlichkeit führen.

Auf diese Problematik gehe ich im 3. Teil ein.

Und das führt zu der zweiten Beobachtung, die ich im Laufe der Jahre immer wieder gemacht habe:

Erstaunlich viele gute und solide Unternehmen geraten in enorme Schwierigkeiten, oder gehen sogar pleite, gerade weil sie zuvor mit einer Wachstumsstrategie begonnen hatten.

Daher wird es Zeit, dass Sie sich kritisch mit dem Wachstumsgedanken auseinandersetzen und nach möglichen Erklärungen suchen, warum Umsatzsteigerung und Wachstum eine Negativspirale in Gang setzen können.

Sind die Informationen aus dem (internen) Rechnungswesen brauchbar?

Die entscheidende Spur führt Sie zum (internen) Rechnungswesen, das

  • Ihren Umsatz als Nabel der Welt ganz oben ansiedelt und die Kosten in Relation dazu ausweist.
  • nicht nur glaubt, die Realität von Ihrem Unternehmen in eine Perioden-Schablone quetschen zu können, …
  • …, sondern dabei von der Annahme ausgeht, dass die Grundrechenarten ausreichen, um die Komplex-Kausalität Ihres Unternehmens abbilden zu können.

Wenn schon Periodendenken, dann sollten Sie den Weg auch konsequent beschreiten:

Plakative Darstellung einer stochastischen Modellierung einer Plan-GuV

Alle signifikanten Variable und ihre Wechselbeziehungen identifizieren und mittels Anwendung einer Simulationstechnik die mögliche Bandbreite des Ergebnisses und ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten ermitteln.

Bei Interesse siehe den Fachbeitrag: „Unternehmenssanierung: Beinamputation, damit man wieder laufen kann?

Tatsächlich gehören sowohl die Aufbauorganisation in Unternehmen, i.⁠e. das Silodenken in Geschäftsbereichen und Abteilungen, als auch das periodisch aufgebaute Rechnungswesen zu den eigentlichen Problemen.

Sie hindern nämlich Sie daran, Ihr Unternehmen ertragsorientiert zu führen.

Leider gilt: Die üblichen Controlling-Instrumente, wie beispielsweise Auftrags- oder Deckungsbeitragskalkulation, sind bestenfalls irrelevant, schlimmstenfalls irreführend.

Um Ihnen diese gewagte These näherzubringen, nehmen wir die folgende Auftragskalkulation:

 Umsatz1.000, – 
( – )Material450, –(45 %)
(=)Rohmarge550, –(55 %)
( – )Personal300, –(30 %)
( – )Betriebliche Aufwendungen50, –(5 %)
(=)Gewinn200, – (20 %)
gbcc.eu

Hier geht es mir primär um die € 300,⁠– kalkulatorischen Personalaufwendungen. Eine Zahl, die in aller Regel umsatzquotal ermittelt wird.

Ist es ratsam, Personalaufwendungen als Fixkosten zu behandeln?

Auch wenn Sie es sich nicht immer bewusst machen, die Personalaufwendungen sind das Ergebnis einer Multiplikation: Stundenzahl x Stundensatz.

Nehmen wir nun an, Sie ermitteln in diesem Beispiel einen durchschnittlichen kalkulatorischen Stundensatz von € 60,⁠–. Damit unterstellen Sie in dieser Berechnung, dass alle Mitarbeiteraktivitäten, die (anteilig) mit diesem Auftrag zusammenhängen, im Schnitt 5 Stunden betragen.

Alle Aktivitäten: Die Zeit,

  • in der Ihr Mitarbeiter Ihnen hinterherläuft, um endlich sein OK für das Angebot zu bekommen,
  • die Sie für die Fahrt zum Kunden benötigen, um den Auftrag zu verhandeln,
  • die Sie in Sitzungen verbringen, um mit allen Beteiligten den Auftrag zu besprechen,
  • um den Auftrag auszuführen,
  • um laufend den Kunden zu betreuen,
  • um eine Rechnung zu schreiben,
  • um den fehlenden Geldeingang zu mahnen, …

Die Gesamtprozessdauer eines Auftrages zu kennen und in Euros ausdrücken zu können, ist das A und O einer erfolgreichen Unternehmensführung.

Die Quote der Unternehmer jedoch, die ich im Laufe der vielen Jahre kennengelernt habe, die das können, ist vernachlässigbar gering. Können Sie es?

Faktor-Mensch beeinflusst die benötigte Zeitspanne

 „Im Schnitt 5 Stunden“ deutet bereits die nächste Schwierigkeit an. Denn Ihr Unternehmen ist eine Kette von Einzeltätigkeiten zwischen Menschen, die miteinander interagieren.

Die Dauer vieler Tätigkeiten ist in aller Regel nicht fix, sondern eine Bandbreite. Diese Bandbreite ist signifikant beeinflusst durch den menschlichen Faktor – allem voran durch unklare und konfliktäre gegenseitige Rollenerwartungen.

Stellen Sie sich nun ein kleines Unternehmen vor. Ihr Herr/Frau Mustermann dort ist eine Schlüsselperson und übt unterschiedliche Tätigkeiten aus, die in größeren Unternehmen auf mehreren Personen in unterschiedlichen Abteilungen aufgeteilt wären.

Rollenkonflikte kommen natürlich auch bei ihr vor. Aber getreu dem Motto „nachdem ich mich versammelt habe, habe ich einstimmig entschieden“ kann sie diese im Nullkommanix mit sich selbst klären.

Nun expandiert Ihr Kleinunternehmen massiv und die Arbeit von Herr/Frau Mustermann wird von jetzt auf gleich auf mehrere Mitarbeiter aufgeteilt. Die rhetorischen Fragen lauten daher:

  • Was passiert, wenn Ihre Mitarbeitenden und Sie sich nicht die Zeit nehmen, um interne Prozesse aufzusetzen, die Zusammenarbeit zu besprechen, Rollenkonflikte zu identifizieren und zu beheben?
  • Wie (chaotisch) wird sich Ihr Unternehmen weiterentwickeln?
  • Welche Auswirkung hat das auf die künftige Produktivität und Profitabilität Ihres Unternehmens?

Fazit:

Personalaufwendungen als Fixkosten zu behandeln und umsatzquotal zur Auftragskalkulation heranzuziehen, ist bestenfalls irrelevant, schlimmstenfalls irreführend.

Denn Ihr Unternehmen stellt eine Kette von Einzeltätigkeiten zwischen Menschen dar, die miteinander interagieren. Die Dauer vieler dieser Tätigkeiten ist in aller Regel nicht fix, sondern eine Bandbreite. Diese Bandbreite ist signifikant beeinflusst durch den menschlichen Faktor.

Die mögliche Bandbreite der internen Prozesse zu kennen und durch kalkulatorische Stundensätze in Euros ausdrücken zu können, ist das A und O einer erfolgreichen Unternehmensführung und die Grundlage einer erfolgreichen Wachstumsstrategie.

Damit nicht genug: Auch das Kundenverhalten hat einen signifikanten Einfluss auf die Bandbreite der Tätigkeitsdauer. Davon handelt der zweite Teil. Wir betrachten was es mit “falschen” Kunden auf sich hat. Und was passiert, wenn wir mit der inneren Haltung “Hauptsache Umsatz” Werbung betreiben.

Und nachdem wir die Personalressourcen ausreichend gewürdigt haben, werden wir uns im dritten Teil der Thematik „Finanzressourcen“ zuwenden: Fremdfinanzierung und Eigenfinanzierung.


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Um Ihre Prozesse & den Faktor Mensch in den Griff zu bekommen und Ihre Wirtschaftlichkeit nachhaltig zu steigern, benötigen Sie ein gutes Gespür für die Zusammenhänge der einzelnen Themen. In dem Beitrag “Menschen, nicht Software, optimieren Prozesse!” habe ich deshalb für Sie visualisiert, wie die Themen meiner bisherigen Fachbeiträge und Publikationen zusammenhängen. Schauen Sie doch mal rein!

Kommentare

2 Kommentare zu „Sind Umsatzsteigerung und Wachstum per se positiv?! (Teil 1)“

  1. Wachstum ist systemischer Imperativ und nicht einfach nur ein Dogma. Wenn ich in einer Unternehmung einen Betrag X einsetze, so erwarte ich X plus eine Rendite R zurück : X(n) = X(n-1) + R. Bekomme ich nur X oder gar weniger als X zurück, lohnt sich das Unternehmen nicht, und ich fange erst gar nicht an. Selbst wenn ich nicht wachsen will, also meine Renditeerwartung konstant bleibt, also dr/dt = 0, muß ich doch die steigenden Kosten berücksichtigen ( z.B. Preissteigerungen, Gehaltserhöhungen meiner Mitarbeiter usw). Also um im Jahr n die gleiche Rendite zu erwirtschaften wie im Jahr n-1 ist folglich X(n) > X(n-1) notwendig, da andernfalls dr/dt < 0 wird. In Worten ausgedrückt : Wachstum ist zwingende Vorraussetzung um zumindest gleiche Renditen über einen Zeitraum t zu erzielen. Das und nichts Anderes ist der Grund für das Wachstumsstreben.

    1. Vielen Dank für Ihre Meinung, die wohl die Mehrheit der Marktteilnehmer teilen dürfte. Was mich betrifft, gerne widerspreche ich!

      Zunächst: “A ist zwingende Voraussetzung für B” ist ein linear-kausales Denken, das in einer komplex-kausalen Wirklichkeit m. E. nahezu zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist. Im komplex-kausalen Umfeld ist die Frage eher: Ist A eine signifikante Variable, um auf B Einfluss zu nehmen?

      Dies vorausgeschickt, es gibt viele Variable, die Einfluss auf die Rentabilität haben: Reduzierung der Einkaufs-/Produktionspreise, Erhöhung der Verkaufspreise, höhere Produktivität durch bessere interne Kommunikation, Digitalisierung und Automatisierung, …
      ist eine Wachstumsstrategie eine signifikante Variable, um positiven Einfluss auf die Rentabilität zu nehmen? Meine Antwort ist zweifelsfrei: Nein! Nicht nur, dass die Rechnung viel seltener als man meinen könnte aufgeht, A und B sind sogar erschreckend oft negativ korreliert! Warum das so ist, versuche ich in dieser Beitragsreihe zu transportieren.

      Bei Interesse: Aus einer anderen Perspektive, aber dazu passend, beschäftige ich mich in meinem just erschienen eBook “Produktiv zusammenarbeiten – offline oder online” auch mit dieser Problematik.

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