Die weichen Themen werden gerne als nicht einplanbar behandelt und daher im Vertriebscontrolling ausgeblendet. Das ist aber falsch und eine Selbsttäuschung.
Die weichen Themen werden gerne als nicht einplanbar behandelt und daher im Vertriebscontrolling ausgeblendet. Das ist aber falsch und eine Selbsttäuschung.

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Faktor Mensch im Vertriebscontrolling

5 Min.

Die weichen Themen werden gerne als nicht einplanbar behandelt und daher im Vertriebscontrolling ausgeblendet. Das ist aber falsch und eine Selbsttäuschung.

Auf Einladung von Prof. Dr. Roland Helm hatte ich vor Kurzem das große Vergnügen, für die Elitestudenten des Honors-Programms der Uni Regensburg einen Vortrag zum Thema Faktor Mensch im Vertriebscontrolling zu halten.

Fangen wir als Einstieg mit einem verrückten Gedankenspiel an:

Stellen Sie sich einen Leiter Produktion vor, der

  • die eigene Leistung nur dann positiv beurteilt (und auch von anderen positiv beurteilt wird), wenn er stets die maximal mögliche Stückzahl produziert und nicht die Stückzahl, die benötigt wird.
  • aus Prinzip alle Maschinen 24/7 laufen lässt. Denn schließlich sie sind ja bezahlt und würden sonst nur unproduktiv herumstehen.
  • bei der Kalkulation stets eine Vollauslastung voraussetzt.
  • Maschinenausfall und Reparaturkosten nicht berücksichtigt. Wozu auch, denn diese kommen sicher kaum vor und, falls doch, verbucht er sie halt unter “Schicksalsschlag”.
  • kein Problem damit, dass seine Brotbackmaschine als eine Brotschneidemaschine eingesetzt wird. Denn wo ist das Problem? Brot ist doch Brot! Wenn die Maschine backen kann, ist es doch nicht zu viel verlangt, dass sie auch schneiden kann.

Auch wenn der Vergleich hier und da hinken mag, dieses absurde Bild möchte ich verwenden, um zu verdeutlichen, wie selbstverständlich man mit zweierlei Maß misst.

Ist ein Prozess nämlich nicht auf das Zusammenwirken von Maschinen, sondern von Menschen, ausgerichtet, dann ist die Logik gerne auf den Kopf gestellt. Insbesondere, wenn es um das Thema Vertrieb geht:

  • Wie oft erlebt man, dass der Vertrieb ausschließlich darauf ausgerichtet ist, immer mehr Umsatz (aber nicht notwendigerweise Gewinn!) zu machen. Dabei die Frage gänzlich außer Acht lassend, ob man sich den Umsatz überhaupt leisten kann bzw. ob die dafür benötigten Personal- oder Finanzressourcen vorhanden sind.
  • Lange Arbeitszeiten gehören nicht selten zum guten Ton. Aber aus unerklärlichen Gründen scheint – solange man die Umsatzvorgaben erfüllt – die Frage der Produktivität während dieser Zeit keine wirkliche Rolle zu spielen.
  • »Ich brauche Mitarbeiter, die sich selbst motivieren können«, ist gerne ausgesprochen. Aber interessanterweise wird dabei gerne ausgeblendet, dass nicht nur die Frage der Motivation, sondern auch die typischen Gründe für die Demotivation und den Ausfall eines Mitarbeiters (Leistungsdruck, Überarbeitung, Mobbing, Bossing), sehr wohl in der Einflusssphäre des Vorgesetzten liegen.
  • Während Finanzressourcen eine hohe Aufmerksamkeit bekommen, obwohl sie recht gut planbar sind, bekommen die Personalressourcen im Vergleich kaum Aufmerksamkeit, obwohl sie sich extrem volatil verhalten: Sie können von heute auf morgen bei motivierten Mitarbeitern quasi auf 200 % steigen, und bei demotivierten Mitarbeitern auf 0 % abstürzen. (Siehe auch den Beitrag: “Was haben Überstunden von Mitarbeitern mit Kontoüberziehungen gemeinsam?“)
  • Was ist mit den damit einhergehenden Krankheits-, Anwalts-, Gerichts-, Abfindungs- und Headhunter-Kosten? Sie fallen halt an und werden gebucht. Sie übersteigen die ursprünglich kalkulierten Personal-Sollkosten der Abteilung gerne um Hunderttausende Euros p. a. Aber in aller Regel verantwortet sie niemand! Und das im Zweifelsfalle in derselben Firma, in der ein Abteilungsleiter gegrillt werden würde, wenn er sein Budget für Bürobedarf um ein paar Tausend Euros überzieht.
  • Niemand findet es ehrenrührig, die Aussage des Vertriebs »unser Umsatzrückgang war nicht zu vermeiden. Der Markt ist sogar noch viel stärker eingebrochen« durch eine neutrale Instanz zu validieren. Aber die Aussage »der Mitarbeiter war schlecht und ich bin froh, dass wir ihn trotz Abfindungszahlung los sind« geht interessanterweise glatt und unbeanstandet durch. Ich habe nur sehr selten von Firmen gehört (aber die gibt es in der Tat), die ausgeschiedenen Mitarbeitern nachträglich durch eine neutrale Instanz interviewen und die Gründe hinterfragen.
  • Und man braucht sich nur eine typische Stellenanzeige anzusehen und man weiß: Ein Vertriebsmitarbeiter ist qua Definition eine Eier legende Wollmilchsau: Er soll gut beraten, gut verkaufen und gut betreuen können. Denn wo ist das Pro­blem? Kundengespräch ist doch Kundengespräch! (Siehe auch den Beitrag: “Berater-Verkäufer-Betreuer?-?Warum man genau wissen sollte, was man sucht“)

Die weichen Themen werden gerne als nicht einplanbar behandelt und daher ausgeblendet.

Das ist aber nicht richtig. Es gibt Tonnen von Untersuchungen, Befragungen und Erfahrungswerte und somit Kausalitäten, Auswirkungen und Wahrscheinlichkeiten.

Wenn diese existieren, kann man sie auch berücksichtigen und somit auch Sollvorgaben definieren. Und wenn man Sollvorgaben definieren kann, dann kann man natürlich die Istwerte dagegen setzen.

Damit sind wir letztlich beim Controlling-Gedanken bzw. hier beim Fehlen desselben. Meine Überzeugung:

  • Controlling ohne Berechnung und Berücksichtigung der weichen Faktoren ist Selbsttäuschung.

Was bedeutet das für Sie als Unternehmer?

Die Tatsache, dass Ihre operativen Einheiten sich viel lieber auf die ihnen vorgegebene (Sach-) Mission fokussieren und dieses anspruchsvolle Thema lieber vermeiden, liegt vermutlich in der Natur der Sache.

Auch stimmt es sicherlich, dass die Ausbildung/der Werdegang eines Controllers/Finanzmanagers üblicherweise keinen Fokus auf das Thema “Faktor Mensch” hat.

Nur weil das Thema üblicherweise wie in diesem Artikel beschrieben gehandhabt wird, bedeutet nicht, dass Sie es in Ihrer Firma nicht anders handhaben können! Bedenken Sie bitte: Am Ende zahlen (nur) Sie als Unternehmer die Rechnung dafür. Alles, was eine negative Auswirkung auf die Produktivität hat, schmälert unterm Strich Ihren Unternehmerlohn und reduziert Ihren Unternehmenswert.

Lösungsansätze gibt es genügend. Gerne unterstütze ich Sie dabei.

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Um Ihre Prozesse & den Faktor Mensch in den Griff zu bekommen und Ihre Wirtschaftlichkeit nachhaltig zu steigern, benötigen Sie ein gutes Gespür für die Zusammenhänge der einzelnen Themen. In dem Beitrag “Menschen, nicht Software, optimieren Prozesse!” habe ich deshalb für Sie visualisiert, wie die Themen meiner bisherigen Fachbeiträge und Publikationen zusammenhängen. Schauen Sie doch mal rein!

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