Wenn Mitarbeiter im Vertriebsprozess abteilungsübergreifend erfolgreich miteinander arbeiten sollen, dann brauchen Sie ein gemeinsames Ziel. Und diesem gemeinsamen Ziel müssen sie sich verpflichtet fühlen!
Ein Vertriebsprozess in einer Firma umfasst X Schritte. Am Ende dieser Schritte möchte man nun wissen, ob man erfolgreich und “gut” gearbeitet hat bzw. Anpassungen erforderlich sind.
Bei einer Vertriebsprozess-Optimierung stellt sich die Frage: Was macht nun einen guten Vertriebsprozess aus? Kein wirklich neues Thema werden Sie vielleicht denken, denn es gibt hervorragende Literatur dazu, es gibt Markt- und Kundenuntersuchungen u. v. m.
Zur Beantwortung der Frage kann man sich mit den Vor- und Nachteilen beschäftigen, die sich daraus ergeben, dass man die Aufbauorganisation nach Produkten, Regionen, Absatzkanälen oder Kunden wählt.
Man kann sich mit den Vor- und Nachteilen beschäftigen, die sich daraus ergeben, dass man den Prozess dezentral und generalistisch angeht oder zentral und spezialisiert.
Man kann sich mit den Fragen, wer, wo und warum einen Kundenkontakt hat, und den Informationsfluss vom und zum Kunden beschäftigen.
Soweit die bekannten Sachthemen. Meines Erachtens kommt jedoch ein Aspekt viel zu kurz: der Faktor Mensch.
These 1: Wenn Menschen in einem Vertriebsprozess gemeinsam erfolgreich arbeiten sollen, dann brauchen Sie auch ein gemeinsames Ziel dahin gehend, was genau der letzte Schritt X ist. Und zu diesem gemeinsamen Ziel müssten sie sich verpflichtet fühlen!
Ein gemeinsames Vertriebsziel
Was meinen Sie: Teilen die involvierten Mitarbeiter ein gemeinsames Ziel? Meiner bescheidenen Beobachtung nach so gut wie nie! Das ist m. E. das Hauptversäumnis der Geschäftsführung einer Firma, die diese Frage einheitlich festlegen müsste.
Fragt man Vertriebsmitarbeiter nach diesem Schritt X, dann ist deren typisch-intuitive erste Antwort:
Q: »Wann ist ein Vertriebsprozess als “erfolgreich abgeschlossen” zu betrachten?«
A: »Wenn der Kunde einen Auftrag erteilt.«
Der Vertriebsmitarbeiter empfindet gerne die eigene Tätigkeit als den letzten Schritt im Vertriebsprozess. Dabei ist der Vertriebsprozess aus Sicht der Gesamtunternehmung noch lange nicht abgeschlossen:
- Q: »Was ist aber, wenn der Kunde einen Auftrag über ein Produkt erteilt, das Ihr Haus nicht führt?«
- A: »Nein, natürlich meine ich einen Auftrag, den wir auch ausführen können.«
Es ist jedoch nicht der Vertrieb, der entscheidet, was ausführbar ist, sondern die involvierten Abteilungen, wie beispielsweise der Einkauf oder die Produktion. Dieses fehlende gemeinsame Ziel verursacht die vielen internen Beschwerden über Vertriebsmitarbeiter: »Die wieder, sie versprechen dem Kunden alles, Hauptsache Umsatz, und wir müssen es dann im Nachhinein mit viel manuellem Aufwand ausbaden.«
- Q: »Und was ist, wenn der Kunde gar nicht zahlt? War Ihr Vertriebsprozess dennoch erfolgreich?«
- A: »Nein, natürlich setzen wir voraus, dass der Geldeingang zeitnah verbucht wird.«
Dieses fehlende gemeinsame Ziel verursacht unter anderem, dass die Buchhaltung dem Vertrieb hinterher läuft, um zu klären, ob man die Mahnschreiben versenden darf.
- Q: »Was ist mit Cross-Selling? Kann der Kunde bei Ihnen nur ein Produkt kaufen oder hätte Ihr Haus auch andere Produkte für diesen Kunden im Portfolio?«
- A: »Nein natürlich mehrere. Ich denke selbstverständlich an meine anderen Kollegen und spiele ihnen bei Gelegenheit den Ball zu.«
Cross-Selling: einer der schwierigsten und spannendsten Themen im Vertrieb. Speziell dann, wenn man eine “Vertriebsorganisation nach Produkten” gewählt hat. Fehlt das gemeinsame Ziel (»Erfolgreicher Vertrieb bedeutet, dass jeder Vertriebsmitarbeiter mit seinem Kunden eine Cross-Selling-Quote von mindestens X erreicht«), dann bleibt nur noch übrig, dass man über monetäre Incentives Einfluss zu nehmen versucht, oder es ganz dem Vertriebler überlässt. Die Antwort oben wäre eine typische Haltung in diesem Falle. Beide Varianten sind aber unorganisiert und daher kein Schritt im Vertriebsprozess!
Sogar wenn es sich um die gleiche Zielgruppe für mehrere Produkte handelt, kann man riesige Unterschiede beobachten: Während beispielsweise Banken dieser Frage einer herausragenden Aufmerksamkeit widmen, ihre diesbezüglichen Prozesse ständig optimieren und die Cross-Selling-Quote nicht selten einen wesentlichen Bestandteil der Leistungsbemessung ausmacht, können hingegen Unternehmungsberatungsgesellschaften nur sehr selten ihre Produkt- und Bereichsegoismen überwinden.
Ganz düster sieht es aus, wenn eine “Vertriebsorganisation nach Kunden” zusätzlich überwunden werden soll: wenn beispielsweise eine Firma sowohl Produkte für Firmenkunden als auch für Privatkunden hat. Wenn also der Firmenkunde von der einen Kundeneinheit betreut wird und der Geschäftsführer dieser Firma als Privatperson zur Zielgruppe der anderen Kundeneinheit zählt. Wie gut ist dieses Thema typischerweise organisiert? Meine nüchterne Beobachtung: Ich persönlich habe es bis dato noch nie organisiert erlebt.
- Q: »Haben Sie als Ziel, dass der Kunde Sie weiterempfiehlt?«
- A: »Ja, über eine Weiterempfehlung würde ich mich sehr freuen.«
Das ist m. E. das anspruchsvollste gemeinsame Ziel, dass sich eine Firma geben kann. Das Ziel hätte erhebliche Auswirkungen auf die Aufbau- und Ablauforganisation einer Firma.
Es gibt nur wenige Branchen, die dieses Thema als ein Prozessschritt behandeln. Versicherungs-Strukturvertrieb fällt mir als Beispiel ein. Die Vertriebler dort haben die entsprechenden Fragetechniken und Tools genau hierfür zur Hand.
These 2: Ein erfolgreicher Vertriebsprozess stellt sicher, dass die involvierten Menschen das auch wollen was sie sollen! Dazu mehr im zweiten Teil.
2 Kommentare zu „Vertriebsprozess (Teil 1): Haben alle ein gemeinsames Ziel?“
Es ist leichter gesagt als getan, sofern die festzulegenden Ziele seitens einer GL die persönlichen Ziele jeden Mitarbeiters widersprechen, damit die Mitarbeiter auch das wollen was sie sollen.
Einige MA sehen in ihrem beruflichen Werdegang den Job als die Zurverfügungstellung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit für das Unternehmen. Andere sehen ihre Motivation in einer überdurchschnittlichen Bezahlung. Eine andere Gruppe sieht den Job als Karierreleiter oder als Sprungbrett in einem anderen Unternehmen oder in die Selbständigkeit.Nicht wenige sehen ihren Job als eine Art bezahlten Zeitvertreib, wenn sie auf die Einnahmen daraus nicht angewiesen sind.
Motivationsbemühungen einer GL greifen auch oft ins Leere, da viele MA ihren Lebensinhalt und Lebensfreude in ihrer Freizeit verlagert haben.
Es ist oft kein Hauptversäumnis der Geschäftsführung einer Firma, wenn sie diese Frage der gemeinsamen Ziele nicht einheitlich festgelegt hat, sondern die Frage lautet:
Kann man in jedem Unternehmen und unterschiedlicer Struktur gemeinsame Ziele für alle MA festlegen und sie auch tatsächlich einhalten?
Eine sehr berechtigte Frage, die Sie stellen. Wie angekündigt, werde ich im 2. Teil darauf eingehen. Ich hoffe Sie werden den einen oder anderen Gedanken dort spannend finden.
Eine grundsätzliche Anmerkung an dieser Stelle w/ “leichter gesagt als getan”: das menschliche Verhalten ist manchmal banal und erschreckend simpel verallgemeinerbar und manchmal unerwartet und unlogisch-kompliziert. Daher sind Mitarbeiterthemen nie leicht und auch nicht gänzlich plan- und berechenbar! Aber es gibt Wahrscheinlichkeiten, weil man zwischenzeitlich in unterschiedlichen Disziplinen einiges über das menschliche Verhalten herausgefunden hat. Daher kann man die Aussage treffen: Manche Maßnahmen machen einem das Leben als Vorgesetzten tendenziell leichter, andere schwerer. Manche Verhaltensweisen werden tendenziell mehr Erfolg haben, wenn es darum geht, Mitarbeiter für eine Sache zu begeistern, andere weniger.
Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich jedoch die unterschiedlichen Themen noch einmal verdeutlichen: Die von Ihnen aufgezählten möglichen Haltungen eines Mitarbeiters generell zum Thema Arbeit sind immer ein schwieriges und spannendes Thema. Und das ist die hohe Kunst der Mitarbeitermotivation durch Führungskräfte.
Hinzu kommen die Grundmotive und Grundbedürfnisse eines Menschen: Welche Werte sind mir als Mensch wichtig, etc. Eine Firma, die gerne Kunden “melken” möchte und den Mitarbeitern überdurchschnittliche Gehälter verspricht, findet genauso passende Mitarbeiter wie eine Firma, die gemeinnützige Arbeiten verrichtet und unterdurchschnittliche Gehälter zahlt. Tendenziell gilt: Je ehrlicher und klarer die Firmenvision und –strategie formuliert sind, desto einfacher kann man die dazu passenden Mitarbeiter “anziehen”.
In diesem Beitrag spreche ich jedoch nicht über die obigen Themen, sondern über das Endziel des Vertriebsprozesses. Das ist eine Frage der Stellenbeschreibung und der Rollenerwartung, die der Vorgesetzte vorgibt. Zum Verständnis:
Sie sind dafür verantwortlich, Kundenaufträge einzuholen. Punkt.
versus:
Unsere Abteilung ist verantwortlich für den Schritt 5 des Prozesses. Sie sind dafür verantwortlich, Kundenaufträge einzuholen *UND* zusätzlich die Information XY von diesen Kunden abzufragen und in einem Gesprächsnotiz festzuhalten, damit Ihr Kollege in einer anderen Abteilung in Schritt 6 mit diesen Informationen weiterarbeiten kann.