Konstruktiv und lösungsorientiert ist "in". Menschen, die auf Probleme hinweisen, haben es wahrlich schwer. In diesem Beitrag möchte ich eine Lanze für sie brechen.
Konstruktiv und lösungsorientiert ist "in". Menschen, die auf Probleme hinweisen, haben es wahrlich schwer. In diesem Beitrag möchte ich eine Lanze für sie brechen.

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Ist konstruktiv und lösungsorientiert zu sein womöglich destruktiv?

15 Min.

Konstruktiv und lösungsorientiert zu sein ist “in”. Menschen, die auf Probleme hinweisen, haben es schwer. Ich möchte in diesem Beitrag eine Lanze für sie brechen. Dazu machen wir einen Umweg über den „Kritischen Rationalismus“ und das „Münchhausen-Trilemma“.

Zu Beginn meines Berufslebens habe ich Vorgesetzte erlebt, die Sätze gesagt haben wie: „Wenn meine Mitarbeiter Zuwendung wollen, sollen sie sich einen Hund anschaffen“.

Lob, Anerkennung oder Wertschätzung? Fehlanzeige! Das schwäbische Sprichwort „Nicht geschimpft ist Lob genug“ beschreibt diese Mentalität recht treffend.

Das war der Zeitgeist. Ein echter Chef war ein Anführer, der klar und deutlich sagte, wo es lang geht. Die Mitarbeitenden hatten nur zu folgen. Konstruktives und lösungsorientiertes Mitdenken war nicht nötig – und in der Regel auch nicht erwünscht.

Konstruktiv und lösungsorientiert zu sein ist “in”

Die Zeiten haben sich geändert. Mitarbeitermotivation ist das Gebot der Stunde, denn Sie wollen engagierte Mitarbeiter. Dass Lob, Anerkennung und Wertschätzung dazu gehören, steht außer Frage. Die Frage ist vielmehr: Wie motiviert man andere richtig?

Und der gemeinsame Nenner aller möglichen Antworten auf die Frage nach dem “Wie” scheint darauf hinauszulaufen:

  • Sie sind anderen gegenüber positiv und wohlwollend.
  • Sie gehen auf die Bedürfnisse Ihres Gesprächspartners ein und nehmen ihn emotional mit.
  • Wenn Sie nicht anders können, als auf Fehler aufmerksam zu machen, machen Sie zumindest einen konstruktiven und lösungsorientierten Alternativvorschlag.

Und als Vorgesetzter wünscht man sich natürlich auch solche Mitarbeiter. In den Stellenausschreibungen wird daher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass konstruktive und lösungsorientierte Mitarbeiter gesucht werden.

Das ist die Mentalität, die heute „in“ ist. Und sie kommt in den unterschiedlichsten Formen und Verpackungen daher. So unterscheiden z. B. Dienstleister, die mit ihren Mitarbeitern arbeiten, zwischen „Initiatoren“, „Mitläufern“ und „Bremsern“; alternativ: „echten Kunden“, „Besuchern“ und „Klagenden“.

Problemorientierte Bremser und Klagende sind nicht konstruktiv und lösungsorientiert

Die Bremser und Klagenden sind gewissermaßen die Schmuddelkinder der Nachbarschaft, mit denen niemand spielen will.

Was ist mit Lob, Anerkennung oder Wertschätzung für diese Personengruppe? Keine Chance!

Denn ihre Mentalität entspricht nicht dem Zeitgeist und wird nicht als konstruktiv, lösungsorientiert und wertvoll wahrgenommen. Zudem wird ihnen implizit oder sogar explizit eine negative Absicht hinter ihrem Habitus unterstellt: Sie seien destruktiv und wollten den Fortschritt aufhalten.

Darüber hinaus gilt: Auf Probleme und Hindernisse aufmerksam gemacht zu werden, scheint für niemanden eine wertvolle Leistung zu sein – es sei denn natürlich, die Person liefert direkt einen konstruktiven und lösungsorientierten Alternativvorschlag.

Und wenn sie es nicht besser weiß und sprachlich auch noch als „gewalttätig“ und übergriffig wahrgenommen wird, dann ist auch der letzte Tropfen Wohlwollen aufgebraucht. Die Person sollte dringend aus der Gemeinschaft entfernt werden. Denn sonst ist die Gefahr groß, dass sie andere mit ihrer Negativität ansteckt. Nicht wahr?

Ich möchte in diesem Beitrag nicht nur eine Lanze für diese Personengruppe brechen, sondern sogar behaupten:

Sich auf diese Menschen einzulassen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ist wahrscheinlich das Beste, was einem passieren kann! Und sie verdienen Ihr Lob, Ihre Anerkennung und Ihre Wertschätzung.

Um diese ketzerische Schlussfolgerung besser verstehen zu können, müssen wir zunächst einen Umweg machen und uns der Frage zuwenden:

Was gilt in einer Gemeinschaft als „Wahrheit“?

Wo findet man sie? Wie findet man sie? Wie erkennt man sie?

Seit Anbeginn der Zivilisation beschäftigen sich die klügsten Köpfe mit diesen Fragen. Philosophen, Soziologen, … geben viele spannende (und höchst widersprüchliche) Antworten.

Kann ich meine eigene Antwort anbieten? Nein! Denn mein Werdegang hatte mit diesen Disziplinen und ihren Fragestellungen nichts zu tun. Zum Glück hat mich nie etwas davon abgehalten, mich mit Themen „jenseits meiner Gehaltsklasse“ zu beschäftigen.

Meine Motivation ist jedoch nie akademischer, sondern immer rein praktischer Natur: Wenn mir ein Thema für den Erfolg meiner Arbeit als Ihr „Co-CEO auf Zeit“ relevant erscheint, dann beschäftige ich mich damit. So einfach ist das.

Und dieses Thema ist für den Erfolg meiner Arbeit von großer Bedeutung. Sie werden gleich verstehen, warum das so ist. Ich bitte noch um etwas Geduld.

Deduktion: vom Allgemeinen zum Speziellen

Wozu die ganze Wahrheitssuche? Antwort: Weil man sich sicher fühlt, wenn man Gewissheit hat!

Denn wenn Sie eine (allgemeingültige) Wahrheit finden, können Sie auf dieser Basis eine wahre – und damit sichere – Aussage über einen konkreten Fall treffen und daraus Handlungsoptionen ableiten.

Dies ist der Prozess einer „deduktiven“ Schlussfolgerung. Beispiel:

„Alle Menschen sind sterblich. Ich bin ein Mensch. Mein Tod ist also früher oder später unvermeidlich. Also kümmere ich mich rechtzeitig um mein Testament“.

Konstruktiv & lösungsorientiert argumentieren: Schematische Darstellung des deduktiven versus induktiven Vorgangs

Mathematische Sätze („Satz des Pythagoras“) werden deduktiv gebildet. Aber auch politische Ideologien und Religionen funktionieren deduktiv. Sie beruhen auf der dogmatischen Verkündung einer absoluten Wahrheit:

  • “Marxismus/Kapitalismus ist soundso und deshalb gilt…”.
  • „Gott existiert und hat alles erschaffen. Punkt.“

Induktion: vom Speziellen zum Allgemeinen

Und umgekehrt? Wie findet man – ausgehend von dem, was man um sich herum beobachtet – die zugrundeliegende Wahrheit? Wie kommt man von „ich sehe Menschen sterben“ zu der universellen Wahrheit „alle Menschen sind sterblich“?

Willkommen in der Welt des „wissenschaftlichen Denkens“.

Interessanterweise beginnt der übliche Einstieg mit einer dogmatisch anmutenden Prämisse: Es gibt eine auffindbare, allgemeingültige Wahrheit. Diese ist jedoch „verschleiert“. Man müsse „nur“ diesen Schleier finden und lüften.

Sie fragen sich also: “Wenn ich den Schleier erfolgreich gelüftet habe, was werde ich dann vorfinden?” Mit dieser Hypothese im Hinterkopf machen Sie sich auf die Suche nach einem Weg, den Schleier erfolgreich zu lüften.

1. Möglichkeit: Sie finden tatsächlich das, was Sie vermutet haben. Dann rufen Sie laut: heureka! Die (rhetorische) Frage in diesem Zusammenhang lautet: Haben Sie wirklich zweifelsfrei die Wahrheit gefunden?

Oder haben Sie nur die Indizien übersehen oder gar ausgeblendet, die die Hypothese widerlegen würden?

Nehmen wir das „Newtonsche Gravitationsgesetz“. Es wurde als eine der vier Grundkräfte der Physik als „wahr“ anerkannt. Man konnte/kann damit praktisch arbeiten, z. B. Aufzüge bauen. Aber in größeren kosmischen Dimensionen gab es bei den Berechnungen eine Soll-Ist-Abweichung.

Erst einige Jahrhunderte später wurde sie durch Einsteins „Allgemeine Relativitätstheorie“ abgelöst. Die obige Soll-Ist-Abweichung verschwand und neue praktische Anwendungen wie z. B. die Satellitennavigation wurden möglich.

Ist das die Wahrheit? Nein! Denn wir haben es mit einer noch ungeklärten Soll-Ist-Abweichung auf quantenphysikalischer Ebene zu tun. Das ist der Übergang zur

2. Möglichkeit: Eine signifikante Soll-Ist-Abweichung lässt sich nicht wegdiskutieren. Was dann? Nun, das kommt darauf an:

2a) Wenn Sie glauben, dass Ihre Ausgangshypothese immer noch richtig ist, dann haben Sie wahrscheinlich noch nicht den „richtigen“ Schleier entdeckt und gelüftet. Dann wird weiter gesucht.

2b) Wenn Sie Grund zu der Annahme haben, dass sich der Schleier gelüftet hat und Sie die Wahrheit sehen, dann war Ihre Hypothese nicht richtig oder unvollständig. Sie müssen eine neue Hypothese aufstellen, die Ihre tatsächliche Beobachtung beschreibt. “Stringtheorie & Co. lassen grüßen. Und weiter geht es mit der Überprüfung der neuen Hypothese.

Achtung: Wenn Sie wie oben beschrieben vorgehen, sind Sie per se konstruktiv und lösungsorientiert! Nämlich nicht nur dann, wenn Sie positiv und gut gelaunt Hypothesen bilden und ein Überprüfungsverfahren festlegen, …

sondern auch dann, wenn Sie frustriert die Soll-Ist-Abweichungen ernst nehmen und ggf. mühsam erarbeitete Hypothesen (schweren Herzens) wieder verwerfen müssen.

Der Zeitgeist aber sieht das anders, denn es scheint zu gelten: Wer nicht in den „Heureka“-Ruf einstimmt, ist nicht konstruktiv und lösungsorientiert.

Kann man unumstößliche Wahrheiten finden?

Die Theorie, durch einen induktiven Prozess zur absoluten Wahrheit zu gelangen, hinkt – gelinde gesagt – gewaltig. Das Streben nach

  1. Gewissheit und Sicherheit und das Streben nach
  2. Wahrheit scheinen sich eigentlich auszuschließen.

Mit anderen Worten: 1. sorgt dafür, dass man 2. über kurz oder lang aus den Augen verliert. Hans Albert, deutscher Soziologe und Philosoph, fasst diese Erkenntnis wie folgt zusammen:

„Alle Sicherheiten in der Erkenntnis sind selbstfabriziert und damit für die Erfassung der Wirklichkeit wertlos“.

Traktat über kritische Vernunft

Das „Münchhausen-Trilemma“

Warum ist es nicht möglich, eine grundlegende und unumstößliche Wahrheit zu finden und (wissenschaftlich) zu beweisen? Die kurze Antwort: Weil jeder Beweisversuch zu einem von drei möglichen Ergebnissen führt, die Hans Albert als „Münchhausen-Trilemma“ bezeichnet:

  1. Fall: Zu einem infiniten Regress.
  2. Fall: Zu einem Zirkelschluss.
  3. Fall: Zum Abbruch des Beweisprozesses durch „Immunisierung“ gegen Einwände.

Der 1. Fall ist der, der eintritt, wenn Sie wirklich versuchen wollen, eine Aussage als zweifelsfrei wahr zu begründen. Denn jede Hypothese, die Sie zur Begründung aufstellen, zieht zwangsläufig die Forderung nach einer neuen Begründung nach sich. Ad Infinitum.

  • Wenn Sie jemals ein Kind erlebt haben, das auf jede Ihrer Antworten mit „waaruum?“ reagiert hat, dann wissen Sie, wovon ich spreche.

Ein möglicher Ausweg aus Fall 1 ist, dass man – 2. Fall – anfängt, sich argumentativ im Kreis zu drehen, um keine neuen Argumente mehr finden zu müssen.

  • Beispiel: A sagt: “Gott existiert”.
  • B fragt nach: “Wie kommen Sie darauf?”
  • A: “Weil es in der Bibel steht.”
  • B: “Und warum ist die Bibel wahr?”
  • A: “Weil es das Wort Gottes ist”.

Werbung in eigener Sache:

Wenn Sie Ihre Kenntnisse im Bereich des kritischen Denkens vertiefen oder auffrischen möchten, besuchen Sie meinen Online-Kurs „Logisch schlussfolgern, überzeugend argumentieren“.

Wenn auch das nicht fruchtet und die Gegenseite keine Ruhe gibt, bleibt nur der 3. Fall als Ausweg: Sie verklären wortreich eine These als „Wahrheit“ und „immunisieren“ sich gegen weitere Einwände.

Das ist das Pendant zum „Basta!“ – mit akademischen Lametta geschmückt.

Das „Münchhausen-Trilemma“ im Alltag

Allerdings gehört es wohl auch zum Zeitgeist, sich gegen die Argumente anderer zu immunisieren. Ich erlebe das leider täglich in den sozialen Medien:

Person A postet eine unausgegorene These als Weisheit letzter Schluss. Sie nehmen sich die Zeit, die These zu widerlegen.

Was macht A? Sie schreibt: “Das sehe ich nicht so” und meint allen Ernstes, dass damit alles Notwendige gesagt sei.

Mann hält Regenschirm hoch und schützt sich vor runter regnende Fragezeichnen

Wie sollte es auch anders sein, wenn sich unsere „Vorbilder“ doch genauso verhalten? Wenn ich Wissenschaftler und andere kluge Köpfe unserer Zeit diskutieren sehe, habe ich nicht selten ein starkes Déjà-vu religiös-dogmatischer Auseinandersetzungen:

Denn ich sehe keine zwei Menschen, die wirklich daran interessiert sind, gemeinsam den Schleier zu lüften, …

… ich beobachte vielmehr den Kampf zweier Personen um die exklusive Beanspruchung einer Machtposition:

  • Ich bin derjenige, der eine verbindliche und wahre Interpretation der Wirklichkeit verkünden und Gewissheit und Sicherheit vermitteln will. Also, Kollege, komm mir nicht mit Logik, denn ich bin immun gegen alle Argumente, die du vorbringst“.

 “Wahrheiten” im unternehmerischen Alltag

Und dieses Phänomen betrifft nicht nur die Naturwissenschaften, sondern natürlich auch die Wirtschaftswissenschaften. So wundert es mich nicht, wenn ich in Unternehmen dogmatisch anmutende „Wahrheiten“ vorfinde, die als gegeben hingenommen werden, ohne sie kritisch zu hinterfragen.

Einige davon sind vom Zeitgeist abhängig:

  • Mitarbeiter müssen konsequent geführt werden.
    ⇒ Die Mitarbeiter müssen motiviert werden.
  • Gute Mitarbeiter befolgen Anweisungen gehorsam.
    ⇒ Gute Mitarbeiter denken konstruktiv und lösungsorientiert mit.
  • Wir müssen unsere Produkte in Superlativen beschreiben.
    ⇒ Wir müssen unsere Kunden emotional ansprechen und abholen.
  • Wir müssen unsere (personellen) Ressourcen ausschöpfen, um möglichst günstig zu sein.
    ⇒ Wir müssen so auftreten, dass wir als „woke“ und umweltbewusst wahrgenommen werden.

Andere wiederum sind Evergreens und gelten als alternativlos (mein persönliches Unwort des Jahrtausends):

  • Unternehmen müssen wachsen und sich entwickeln.
  • Unternehmen brauchen eine Aufbauorganisation.
  • Unternehmen brauchen Führungskräfte.

Kritischer Rationalismus: „konstruktiv“ und „lösungsorientiert“ neu definiert

Der von Karl Popper († 1994) begründete Kritische Rationalismus (KR) ist nicht nur eine Theorie, sondern eine Lebenseinstellung. Eine Lebenseinstellung, die zugibt und darauf setzt, dass wir uns irren können und irren werden.

Wenn ich es richtig verstanden habe, schließt KR nicht aus, dass es tatsächlich eine allgemeingültige Wahrheit geben kann. Eine Frage, die mir persönlich völlig irrelevant erscheint: Ich weiß es nicht und es interessiert mich auch nicht. Denn ich stimme mit der Schlussfolgerung von KR überein und nur das ist für mich relevant:

Wir Menschen sind nur begrenzt in der Lage, die uns umgebende Realität vollständig zu erfassen. Wir können daher nie wirklich wissen, ob unsere Erfahrungen und Meinungen mit der Realität übereinstimmen oder nicht.

Folglich ist jede Theorie – ob wissenschaftlich, religiös oder esoterisch – grundsätzlich nicht beweisbar. Der Versuch, Theorien zu beweisen, ist daher höchstwahrscheinlich eine Verschwendung von Zeit, Geld und Mühe.

Was bleibt dann noch? Eine ganze Menge!

Sie können nämlich versuchen herauszufinden, ob und wo Ihre Theorien fehlerhaft sein könnten und wie Sie die entdeckten Fehler beseitigen können. Wenn Sie so vorgehen, sind Sie nicht nur wirklich konstruktiv und lösungsorientiert, …

sondern Sie ersparen sich auch das „Münchhausen-Trilemma“!

KR in der praktischen Arbeit mit Unternehmen

Nehmen wir als Beispiel die Aussage „Unternehmen müssen wachsen und expandieren“, die (fast) alle Marktteilnehmer als absolut wahr akzeptieren. Sie auch? Viele am Markt beobachtbare Leistungen bauen logischerweise darauf auf: Vertriebsmitarbeiter werden geschult oder Marketingkampagnen konzipiert. Und es werden „KPIs“ definiert, um zu „beweisen“, dass man den richtigen Weg eingeschlagen hat.

Stimmt es, dass Ihr Unternehmen, das meine Beratung in Anspruch nimmt, wachsen muss? Das weiß ich nicht! Das interessiert mich auch nicht! Was interessiert mich stattdessen? Ich möchte viel lieber von Ihnen wissen: Angenommen, Ihre These stimmt und Sie schaffen es zu wachsen. Was genau würde das Ihrer Meinung nach bewirken? Vielleicht bekomme ich die Antwort:

  • “Die durch Skaleneffekte erzielbaren Kosteneinsparungen werden unsere EBITDA-Marge erhöhen.

Das klingt schon viel besser! Damit kann ich arbeiten. Denn:

Eine brauchbare These enthält bereits den Hinweis, woran man eine falsche oder unzureichende Theorie erkennen kann. (Vgl. „Falsifizierbarkeit“ nach Karl Popper.)

Ich kann aber auch weiter nachfragen: Kann es sein, dass Ihre EBITDA-Marge steigt, aber der Anstieg mal mehr und mal weniger stark ausfällt? Was ist Ihre Theorie, die diese Bandbreite erklärt?

Nehmen wir nun an, wir stellen bei der Analyse fest, dass Ihre EBITDA-Marge trotz Wachstum rückläufig ist. Was passiert dann?

Wann kann konstruktiv und lösungsorientiert sein destruktiv sein?

Ohne ein „KR-Mindset“ ist die Gefahr groß, dass man sich gegen Fakten immunisiert, weil man die vermeintliche Wahrheit nicht verwerfen will. Dann setzen Sie Ihren Expansionskurs unbeirrt fort. Zur Rechtfertigung sagen Sie dann Sätze wie „Ausnahmen bestätigen die Regel“.

Nein, das tun sie nicht. Mit einer solchen Haltung kommt man nicht weiter. Im Gegenteil, denn nicht wenige Unternehmen geraten gerade durch unkontrolliertes Wachstum in Schwierigkeiten oder gehen sogar in Konkurs.

Ihre vermeintlich konstruktive und lösungsorientierte Haltung wirkt sich dann destruktiv auf Ihr Unternehmen aus.

Ihr Unternehmen wird sich stabil entwickeln, wenn Sie eine Theorie anstreben, die Ausnahmen ausschließt.

Und das ist es, was ich letztlich mache: Ich helfe Ihnen herauszufinden, wie das Ergebnis in Ihrem Unternehmen zustande kommt und was die Verantwortlichen in Ihrem Unternehmen tun können, um es zu optimieren.

Und im Rahmen dieser Überprüfung kann es durchaus sein, dass man sich deshalb (vorläufig) vom Wachstumsgedanken verabschiedet.

Theorieüberprüfung im komplex-kausalen Umfeld

Bei der Überprüfung der These werden Sie unweigerlich feststellen: Ihr Unternehmen funktioniert „komplex-kausal“!

Damit meine ich: Viele Ursachen haben viele Wirkungen, Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Und da Menschen beteiligt sind, hat diese Maschinerie ein „Innenleben“, das man nicht mit der Kausalität von Ursache und Wirkung erklären und steuern kann. Man muss die Erkenntnisse der „systemischen Kausalität“ hinzuziehen, um weiter zu kommen.

Wenn es darum geht, relevante Variablen zu identifizieren, ist man mit seinem eigenen blinden Fleck konfrontiert. Wenn ich hinzukomme, haben wir eine Person mehr mit einem Blick von außen und die Wahrscheinlichkeit, dass etwas übersehen wird, ist geringer.

Aber warum sich mit wenigen Menschen begnügen, wenn es Dutzende, Hunderte oder noch mehr Köpfe gibt, die mitdenken könnten?

Und genau deshalb möchte ich im Rahmen meiner „A.D.L.E.R.-Methode“ alle Mitarbeitenden Ihres Unternehmens einbeziehen. Diejenigen, die das Glas halb voll sehen, sind mir genauso willkommen wie diejenigen, die es halb leer sehen.

Bremser und Klagende sind sehr wohl konstruktiv und lösungsorientiert – nur anders

Und wer sich nicht für den Wasserstand interessiert, sondern sich lieber über ein schmutziges oder gesprungenes Glas ärgert, ist genauso willkommen! Denn:

Die Relevanz einer Beobachtung kann nur/erst dann beurteilt werden, wenn sie bekannt ist!

Und hier schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei den vermeintlichen „Bremsern“ und „Klagenden“, die angeblich nicht konstruktiv und lösungsorientiert sind. Denn sie sind nicht selten der Schlüssel, um systemimmanente Fehler zu erkennen und gute Lösungshypothesen zu entwickeln.

Fakten versus Intuition oder Bauchgefühl

Apropos Lösungshypothese: Zum Schluss bleibt noch eine Frage zu klären, die ich wie folgt plakativ demonstrieren möchte:

Angenommen, Ihre Mitarbeitenden erarbeiten eine Lösungshypothese „A“. Zur Validierung der Hypothese werden alle relevanten (Risiko-)Faktoren systematisch erfasst und mögliche Szenarien stochastisch modelliert.

Das Ergebnis dieser Arbeit unterstreicht die (wahrscheinliche) Richtigkeit von „A“.

Sie selbst haben aber die Lösungshypothese „B“ im Kopf, die nicht durch harte Fakten gestützt wird. Aber Sie sagen: „Nicht nur mein Bauchgefühl sagt mir, dass Weg B richtig ist, sondern auch mein rechtes Ohrläppchen zuckt. Aus Erfahrung weiß ich: Wenn das der Fall ist, kann ich ganz sicher sein“.

Was nun?

Nun, das ist meiner Meinung nach nicht viel anders als die obige These zum Umsatzwachstum. Auch hier kann ich kaum wissen, ob Ihre These für Ihr Unternehmen zutreffen wird oder nicht. Deshalb würde ich Sie auch hier eher auf die Konsequenzen möglicher Fehler hinweisen und Ihnen diese vielleicht empfehlen:

Im Hinblick auf die Haftungsrisiken, die sich aus der Einführung von StaRUG zum 1.1.2021 ergeben, empfiehlt es sich, nicht va banque zu spielen, sondern sich eine kreative Experimentierecke einzurichten.

Fazit:

  • Wenn andere Sie auf einen (logischen) Fehler aufmerksam machen, können Sie hoffen oder wünschen, dass sie dabei Ihr Bestes im Sinn haben.
  • Sie können hoffen oder wünschen, dass sie mit Ihnen gewaltfrei und nicht übergriffig kommunizieren.
  • Und Sie können sogar hoffen oder wünschen, dass sie Sie nicht nur auf den Fehler aufmerksam machen, sondern Ihnen auch einen Alternativvorschlag unterbreiten.

Das alles ist aber meiner Meinung nach „nice to have“ – wünschenswert, aber nicht notwendig. Denn Sie auf einen möglichen Fehler aufmerksam zu machen, ist bereits der größte Dienst, den Ihnen jemand erweisen kann.

  • Wenn Sie eine wohlwollende Haltung der Person wahrnehmen, aber den Hinweis nicht für relevant halten, dann ist die Initiative an sich lobenswert.
  • Wenn sich herausstellt, dass der Hinweis hilfreich sein könnte, dann verdient die Person auf jeden Fall Ihr Lob und Ihre Ermutigung.
  • Wer weiß, vielleicht stellen Sie eines Tages überrascht fest, dass Sie Menschen schätzen gelernt haben, die Sie früher als „Bremser“ und „Klagende“ wahrgenommen haben.

Und wer weiß, vielleicht fühlen sich diese Menschen dadurch in Zukunft mehr und mehr motiviert, Ihre oben genannten Wünsche zu erfüllen.


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Um Ihre Prozesse & den Faktor Mensch in den Griff zu bekommen und Ihre Wirtschaftlichkeit nachhaltig zu steigern, benötigen Sie ein gutes Gespür für die Zusammenhänge der einzelnen Themen. In dem Beitrag “Menschen, nicht Software, optimieren Prozesse!” habe ich deshalb für Sie visualisiert, wie die Themen meiner bisherigen Fachbeiträge und Publikationen zusammenhängen. Schauen Sie doch mal rein!

Kommentare

5 Kommentare zu „Ist konstruktiv und lösungsorientiert zu sein womöglich destruktiv?“

    1. Ich darf mutmaßen: “Da ich Sie gerade daran habe Herr Ghaffari, wir haben aktuell XY im Angebot. Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass Sie mir ‘hierarchisch’ einen Auftrag erteilen. Und sollte ich meinen Job gut machen, dann habe ich weder was gegen ein Lob in Form einer guten Bewertung, noch was gegen ein Lob in Form eines Folgeauftrages.” :)

  1. Love it, diese Ehrlichkeit! Danke dafür, Kourosh Ghaffari! Könnte aus diesem Beitrag ein Buch entstehen? ????
    Mein Senf dazu gleich auf ein kl. Detail achtend ????:
    Was mich in diesem Artikel und auch in unseren Gesellschaft stört ist das m.E. oft und unbedacht genutzte Wort Lob.

    Es hat sich bei uns gesellschaftlich nun einmal so eingeprägt, dass Lob das Vorhandensein einer Hierarchie meint, eine Note gibt, bewertet, sprich „das hast Du gut gemacht!“ meinend „das war grad meinen Bedürfnissen entsprechend!“. Oder: „Das ist ein gutes Buch, das Du geschrieben hast!“.

    Alles ok, wenn es von einem Experten kommt, dessen Meinung für mich hilfreich sein kann, aber nicht von jemand der z.B. selbst nie ein Buch geschrieben hat. Da will ich kein Lob von dieser Person und seine Meinung wäre höchstens nett, auch wenn etwa von oben herab. Da wären mir Ich-Sätze anfangend mit „Für mich ist es…“ lieber.

    Wenn ein Lehrer dem Schüler Lob auspricht, ist alles fein. Wenn es unter zwei Personen geschieht, die in keinem hierarchischen Verhältnis stehen (Lehrer-Schule, Experte-um Rat Fragende, Vorgesetzter-Azubi) ist es m.E. unangebracht.

    Um weniger wie Nabel der Welt zu wirken, wären
    Wörter wie Anerkennung oder Wertschätzung m.E.

    1. Die Kritik w/ Lob ist m.⁠E. absolut berechtigt. Denn so wie Lob i.⁠d.⁠R. angewendet wird, startet und endet es damit, dass wir uns damit begnügen, der Person mitzuteilen, was oder wer sie aus unserer Sicht ist. („Ich finde es gut, dass du konstruktiv bist.“). Und ja: nicht selten kommt (unbewusst) eine “hierarchische” innere Haltung dazu à la: „Na, das hast du aber fein gemacht mein kleiner“.

      “Anerkennung”, “Lob” und “Wertschätzung” verwende ich hier als Platzhalterbegriffe, um den Zweck der Kommunikation zielgenauer beschreiben und differenzieren zu können. Siehe Text, z.⁠B. für Lob blende ich diese Definition ein: „Mein ‘Lob’ bezieht sich auf das Ergebnis der Tat der Person, das für mich wertvoll erscheint.“

      Die Formel der „Gewaltfreien Kommunikation“ hilft durchaus hierbei weiter, um so zu loben, damit die Person 1) tatsächlich was damit anfangen kann, i.⁠e. warum das Ergebnis der Tat für mich wertvoll ist und 2) es (hoffentlich) nicht als eine hierarchische Aussage wahrnimmt.

      Also: Dadurch, dass du es thematisiert hast, wurde mir bewusst, dass der geneigte Leser wohl kaum wissen kann, dass meine innere Haltung dazu von der Norm abweicht. So habe ich die Möglichkeit bekommen, die Erläuterung hiermit nachzuliefern. Danke dir sehr dafür liebe Valentina.

      Und wie hoffentlich deutlich zu erkennen ist: Diese Aussage ist wahr für mich unabhängig davon, ob sie von Prof. Dr. Dr. Expert:in für germanistische oder soziologische Fragestellungen o.⁠Ä. oder von meiner Installateur:in stammt.

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