Was haben Unternehmen mit skalierbaren Produkten und Coaches sowie andere Dienstleister, deren primäres Geschäftsmodell es ist, „Zeit gegen Geld“ zu tauschen, dennoch gemeinsam?
Zeit gegen Geld zu tauschen, hat wahrlich keinen guten Ruf. Viele Anbieter stehen somit mit ihrer Dienstleistung zur Verfügung, um Menschen aus dieser „Falle“ zu befreien.
Zum Beispiel Berater, die Angestellten gegenüber argumentieren: „Du hast das Gefühl, ‚im Hamsterrad‘ zu stecken, weil Du von morgens bis abends stupide Routineaufgaben erledigst? Dann hör auf, Deine wertvolle (Lebens-)Zeit gegen Geld zu tauschen. Entkomme endlich dieser Falle und mache Dich mit meiner Unterstützung selbstständig und stifte Wert mit dem, wofür Du wirklich brennst“.
Nachdem sie sich jedoch selbstständig gemacht haben, stehen andere Berater vor ihrer Tür, die sie beraten und begleiten wollen, die Zeit-gegen-Geld-Falle endlich hinter sich zu lassen: durch Automatisierung oder durch die Einführung von digitalen Produkten oder durch andere Möglichkeiten der Skalierbarkeit.
Das alles ist jedoch am eigentlichen Problem vorbei. Ein Problem, das alle Anbieter gemeinsam haben: Coaches, Handwerker, Software-Hersteller, Maschinenbauer etc. Das erlaube ich mir zu behaupten, weil ich seit 30 Jahren nicht nur Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen berate und begleite, sondern auch Selbstständige und Unternehmensgründer.
Seit der Corona-Problematik ist der Anteil von Selbstständigen, die Rat suchen, deutlich gestiegen. Da Coaches einen signifikanten Anteil davon ausmachen, werde ich einen Schwerpunkt auf diese Gruppe legen und diese Thesen in diesem Beitrag thematisieren und begründen:
Werbung in eigener Sache!

- Persönlichkeit entwickeln, erfolgreich kommunizieren und logisch argumentieren:
Warum ticke ich so, wie ich ticke? Warum reden wir aneinander vorbei? Und was nun? - Mitarbeiter führen & Prozesse managen:
Um Silodenken zu überwinden und professionell & produktiv zusammenzuarbeiten, braucht jedes Unternehmen leitende Tätigkeiten – aber nicht zwingend Hierarchien. - Selbstdiagnose für Selbstständige:
Setzen Sie Ihre wertvolle Arbeitszeit produktiv und profitabel ein, wenn Sie sie „gegen Geld tauschen“?
- Nur weil man von morgens bis abends Routineaufgaben erledigt, fühlt man sich nicht deswegen zwangsläufig „wie in einem Hamsterrad“. Auch ein Anbieter mit skalierbaren Produkten kann sich fühlen „wie in einem Hamsterrad“.
- Es gibt Tätigkeiten, die einen Sinn stiften, aber keinen Spaß machen. Und es gibt Tätigkeiten, die man gerne macht, aber diese bei genauerer Betrachtung die Profitabilität vernichten.
- Automatisiert und skaliert man das Letztgenannte, dann skaliert man im Grunde nur das dazugehörige Problem.
Nun der Reihe nach:
Zeit gegen Geld ⇒ „Im Hamsterrad gefangen sein“?
Sich wie im Hamsterrad zu fühlen, ist kein Gleichnis für die Beschreibung einer wiederholenden Tätigkeit, sondern für die Umschreibung eines unangenehmen Gefühls, das sich einstellt, wenn man mit der Tätigkeit nicht vorankommt. Der Unterschied am eigenen Beispiel verdeutlicht:
Ich habe viele Marketing-„Weisheiten“ im Laufe der Jahre eingekauft und habe sie entsprechend einige Zeit ausprobiert. Beispielsweise ein bestimmtes Format täglich zu produzieren und zu posten. Meist stellte ich aber dabei fest, dass die Tätigkeit mir schlicht keinen Spaß bereitet. Ich hatte in der Tat ein Déjà-vu-Erlebnis des Im-Hamsterrad-Gefangenseins und bin folglich aus dem Rad ausgestiegen. Fallweise habe ich anschließend die Tätigkeit outgesourct, aber nach einer angemessenen Testphase festgestellt, dass sich die Ausgabe schlicht nicht lohnt und habe sie dann ganz eingestellt.
Wenn ich hingegen regelmäßig Bilder für meine Präsentationen bearbeite oder die Zahlen meiner Firmenkunden importiere und aufbereite, dann habe ich es mit einer Vielzahl von Routine-Tätigkeiten über einen längeren Zeitraum zu tun. Diese machen mir aber Spaß! Ich schaffe es bisweilen, diese Tätigkeiten in einem „Zen“-Zustand auszuführen und entspanne sogar dabei.
Wann macht einem eine Tätigkeit Spaß?
Das Gefühl von Freude versus Unlust ist m. E. signifikant damit korreliert,
- ob einem wirklich bewusst ist, was die eigene Tätigkeit bewirkt und dass
- man das Gefühl hat, mit dieser Wirkung einen Mehrwert zu stiften – für sich selbst und für die Kunden.
Was die besagten Marketing-Aktivitäten oben betrifft, die meisten stiften eben aus meiner Wahrnehmung keinen erkennbaren Mehrwert. Man macht sie, weil „man“ das halt so macht. Und weil einem nichts Besseres einfällt, was man stattdessen tun könnte. (Vgl.: Die Mär von „passender Kunde = sicherer Erfolg“.)
Auch wenn sie es sich selbst gegenüber womöglich nicht zugestehen wollen: Viele Dienstleister, die ich kenne, stecken längst in einem Social-Media-Marketing-Hamsterrad fest.
Was die Wahrnehmung der Wirkung betrifft, meist orientieren wir uns an „Geld“ als Messlatte – z. B. in Form von Kundenumsätzen. Getreu dem Motto: Meine Umsätze würden wohl kaum steigen, wenn ich nicht einen adäquaten Mehrwert für meine Kunden erschaffen könnte. Finanzieller Erfolg kann sehr wohl motivieren und dafür sorgen, dass man auch unliebsame Tätigkeiten durchsteht. Ist er jedoch unser einziger Motivator für die Ausübung einer Tätigkeit, dann rächt es sich umso mehr, wenn er ausbleibt.
Nehmen wir beispielsweise YouTuber oder Instagramer. Sie posten womöglich (mehrmals) täglich, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr; haben seit Jahren keinen echten Urlaub mit Müßiggang erlebt; erleben aber stattdessen eine/n zunehmend genervtere/n Partner/in daheim. Der unverfälschte Blick auf diese Realität ist solange versperrt, solange die Einnahmen nach oben schnellen. Ändern die Plattformen wieder einmal ihre Algorithmen, sperren ihre Posts o. Ä., dann stellt sich die Erkenntnis brachial ein, dass sie sogar noch mehr machen müssten als bisher der Fall – allein um den Status quo aufrecht zu erhalten. In der Tat, der eine oder andere YouTuber oder Instagramer, den ich kenne, steckt längst in diesem Hamsterrad fest und erkennt keinen Ausweg.
Oder nehmen wir Coaches. Viele, die ich kenne, brennen dafür zu coachen. Mit „Coachen“ meinen sie die Tätigkeit, die sie vis-à-vis ihrer Klienten ausüben. Nicht aber notwendigerweise die Zeit, die sie für die Gewinnung der Aufmerksamkeit ihrer Klienten, für die Angebotskalkulation, für die Vor- und Nachbereitung der Sitzung, für die Verbuchung des Auftrages, u. v. a. m. aufbringen müssten. Wie motiviert man sich, wenn das „echte“ Coaching gefühlt nur 10% ausmacht und man die restliche Zeit mit Tätigkeiten verbringt, die einem nicht nur keinen Spaß bereiten, sondern auch keinen Sinn zu stiften scheinen – siehe Problematik Marketing oben! Erst recht, wenn die Klienten trotz der vielen Maloche wegbleiben.
Der Weg aus dem Hamsterrad: das Gefühl, einen Mehrwert zu stiften!
Ob man mit der eigenen Tätigkeit einen Mehrwert stiftet, ist nicht selten eine Frage der subjektiven Wahrnehmung.
Die Paradoxie dabei:
Es gibt Tätigkeiten, die wahrhaftig Sinn stiften, aber keinen Spaß machen, weil man den Sinn dahinter nicht erkennt.
Und es gibt Tätigkeiten, die man gerne macht, und die sogar von Experten empfohlen werden, aber diese bei genauerer Betrachtung nicht nur keinen Sinn stiften, sondern sogar die Produktivität und die Profitabilität des eigenen Unternehmens vernichten.
Der Weg aus dem Hamsterrad:
- Sich selbst bewusst zu machen, was man genau macht.
- Sich selbst bewusst zu machen, was man damit bewirken möchte. Und diese These kritisch überprüfen.
- Auf das eigene Gefühl achten, ob man mit dieser Wirkung einen Mehrwert stiftet – für sich selbst und für die Kunden. Nach Möglichkeit das Gefühl validieren.
- Man sollte aufhören, wertvolle Ressourcen mit Tätigkeiten zu verbrennen, die keinen Mehrwert stiften – unabhängig davon, ob man dafür die eigene Zeit einbringt oder eine fremde Zeit einkauft.
Erschreckend viele Handgriffe stiften keinen Mehrwert
Und das ist der Übergang zur Einstiegsbehauptung: Das Thema Zeit-gegen-Geld-Falle ist am eigentlichen Problem vorbei. Ein Problem, das alle Anbieter gemeinsam haben. Nämlich dass erschreckend viele Tätigkeiten und Handgriffe im Geschäftsleben, die man zur Akquisition, Durchführung, Nachbereitung, …, von Kundenaufträgen durchführt, keinen erkennbaren Mehrwert stiften. Man macht sie so, weil man gesagt bekommen hat, dass man sie so machen sollte.
Die Folge: Man arbeitet unproduktiv. Das bedeutet: Man macht nicht das beste aus der äußerst knappen Ressource „Zeit“, die man zur Verfügung hat.
Deswegen sollte man die eigenen Abläufe bewusst gestalten und den dazugehörigen Arbeitsaufwand ordentlich kalkulieren!
Zahlen? Igitt!
Dies vorausgeschickt, ob selbstständige Coaches oder geschäftsführende Gesellschafter von größeren Unternehmen:
Es ist frappierend, wie viele Menschen faktisch nichts mit Zahlen im Allgemeinen und Auftragskalkulationen, Excel-Tabellen o. Ä. im Besonderen anfangen können.
Sie kalkulieren ihre Aufträge „intuitiv“ und stellen dafür wenig hilfreiche Milchmädchenrechnungen an und/oder lassen sich Zahlen vorlegen, mit denen sie nicht wirklich etwas anfangen können.
In diesen Fällen sehe ich die Lösung nicht primär darin, neue Software zu installieren oder die Tätigkeiten an andere outzusourcen, sondern darin, meinem Gegenüber dazu zu verhelfen, zu verstehen, wie diese unliebsamen Tätigkeiten positiv dazu beitragen, erfolgreicher und zufriedener zu arbeiten.
Ich kann mit Stolz sagen, dass es mir oft gelingt, dass meinem Gegenüber nach und nach die Arbeit mit Zahlen und Excel-Tabellen Spaß bereitet, weil er den Sinn darin erkennt.
Darüber hinaus tendieren Selbstständige und Unternehmen gleichermaßen dazu, ihre wertvolle und knappe Ressource Zeit mit Kulanz- und Mehrleistungen zu verbringen, die sie nicht antizipiert und eingepreist haben. Und da sie einen Großteil davon nicht bewusst auf ihrem Radarschirm haben, können sie ihren wertvollen Zeiteinsatz im Sinne des Kunden noch nicht einmal mündlich dem Kunden gegenüber vermarkten. Ganz zu schweigen davon, diese auszurechnen und in Rechnung zu stellen.
Die Folge: Sie überarbeiten sich und unterm Strich bleibt dennoch nicht genug hängen.
Eine ordentliche Auftragskalkulation ist ein Muss
Das Ausmaß dieses Phänomens möchte ich Ihnen anhand eines einfachen und typischen Beispiels aus dem Coachingmarkt visualisieren:
Ein Business Coach mit einem durchaus komfortablen Stundensatz von 350,– netto erhält einen Auftrag von einem Firmenkunden: 7 Sitzungen à 1,5 Stunden mit einer leitenden Person vor Ort im Unternehmen. Der Coach legt die Offerte heraus: 7 x 1,5 x 350,– = 3.675,– netto zzgl. Fahrtkosten.
Als ich gemeinsam mit dem Coach den Auftrag nachkalkuliert habe, stellte sich das Ausmaß des Problems wie folgt heraus:
Er hatte weder die Auftrags-Vorarbeiten eingepreist, noch die Vor- und Nachbereitung der einzelnen Sitzungen mit im Schnitt je eine Stunde/Sitzung. Darüber hinaus hat sein Klient zwischen den Sitzungen den Dialog mit ihm gesucht. Im Schnitt je eine halbe Stunde. Und die Sitzungen selbst haben nicht wie geplant 1,5 Stunden gedauert, sondern eher zwei. Und für die Hin- und Rückfahrt zum Unternehmen war der Coach je zwei Stunden unterwegs.
Sprich: Der Coach hat faktisch insgesamt 40,5 Stunden an diesem Auftrag verbracht, was einen effektiven Stundensatz von lediglich 91, – /Std. netto bedeutet. Hätte er wahrhaftig seinen tatsächlichen Zeiteinsatz gegen Geld getauscht, hätte er 14.175,– anstatt 3.675,– verlangen müssen. Das ist die 3,9-fache Summe!
Egal ob händisch produziert oder automatisiert und skaliert: Müll bleibt Müll!
Wenn ich meine Zeit damit verbringe, einen Output zu produzieren, der keinen echten Mehrwert für mein Unternehmen stiftet, dann ändert sich auch nichts daran, wenn ich den dazugehörigen Prozess automatisiere und verschlanke. Ich stifte nach wie vor keinen Mehrwert.
Und die rhetorische Frage lautet: Was passiert, wenn ich beim Ziel, meine Umsatzpotenziale zu skalieren, den dazugehörigen produktivitäts- und wert-vernichtenden Prozess mit skaliere?
Dieses Phänomen können Sie täglich auf sozialen Netzwerken beobachten. Dort bekommt man täglich „Kopieren-Einfügen-E-Mails“ von Produktverkäufern, die sich ganz offensichtlich keine einzige Minute mit einem als potenziellen Kunden befasst haben.
Ich frage mich dabei: Auf welchem Planeten gibt es diesen potenziellen Kunden, der sich denkt: „Ja, ich habe schon immer davon geträumt, das Gefühl vermittelt zu bekommen, eine statistische und beliebig austauschbare Nummer zu sein und automatisiert abgefertigt zu werden. Ich fühle mich dabei wie der König Kunde.“
Gibt es unter den Adressaten Personen, die eine solche Ansprache tolerieren, dulden oder ausblenden? Ja! Aber mögen bzw. präferieren? Wohl kaum!
Was wäre, wenn Einzelhandel dazu überginge, ihre Kunden wie manche Online-Marketer anzusprechen?
![Metzger bietet Fleisch an und schreibt dazu: Hey [Dein Vorname]! "Wenn Dich dieses Produkt grundsätzlich interessiert, dann lasss uns nächste Woche ein unverbindliches Gespräch vereinbaren..."](https://www.gbcc.eu/wp-content/uploads/2021/02/Metzgerei-Produktangebot_1000x666.jpg)
Plakativ formuliert: Schreibt man händig solche E-Mails an 10 Targets, dann verbrennt man womöglich alle 10 Targets. Verschickt man standardisiert und prozessoptimiert an 1.000 Targets, dann verbrennt man 990 Targets. Aber man verbrennt sie wenigstens sehr effizient, nicht wahr?
Fazit:
- Der wichtigste Faktor zu einer höheren Profitabilität besteht darin, die eigene Arbeitszeit nicht als selbstverständlich zu betrachten, sondern wertzuschätzen.
- Ein wichtiger Schritt zu diesem Ziel besteht darin, sich gewahr zu werden, was man faktisch und in welcher Zeit tut und was davon einen Sinn stiftet – für sich selbst und für die Kunden. Und dass man sich bemüht, sowohl den Aufwand als auch den Mehrwert in Euros auszudrücken. Das ist die Sprache, die viele von uns sofort verstehen und die Schlussfolgerungen daraus leichter annehmen können.
- Das wiederum erleichtert es ungemein, dem Kunden gegenüber bewusst kommunizieren zu können, was alles man für ihn macht und welchen Wert man dadurch für ihn stiftet.
- Und das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass der Kunde zufrieden ist und für diesen (Mehr-)Wert den angemessenen Preis zahlt.