Warum fällt uns eine erfolgreiche Verhaltensänderung so schwer? Was uns hierzu die Erkenntnisse der Gehirnforschung sagen, das wollen wir näher untersuchen.
Warum fällt uns eine erfolgreiche Verhaltensänderung so schwer? Was uns hierzu die Erkenntnisse der Gehirnforschung sagen, das wollen wir näher untersuchen.

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Gehirnforschung: Die Kunst der Verhaltensänderung

6 Min.

Warum es so schwer ist, sich und andere zu ändern

Immer wieder stellen wir uns die Frage: “Warum fällt es uns so schwer erlerntes Wissen und erlernte Fähigkeiten in eine dauerhafte Anwendung zu bringen?” Oder: “Warum fällt es uns so schwer unser Verhalten und/oder unsere Gewohnheiten zu ändern?” Ob dies überhaupt möglich ist und was uns hierzu die modernen Erkenntnisse der Gehirnforschung sagen, das wollen wir einmal näher untersuchen.

Die vier Ebenen der Persönlichkeit

Unser Denken, Fühlen und Handeln ist genauso wie die Bildung unserer Persönlichkeit das Ergebnis vieler gleichzeitig oder aufeinander folgender Aktivitäten in den unterschiedlichsten Gehirnarealen. Im Zusammenhang mit dem Thema der Verhaltensänderung spielt die Entwicklung unserer Persönlichkeit eine entscheidende Rolle. Diese Entwicklung vollzieht sich im wesentlichen auf 4 Ebenen unseres Gehirns:

  1. Die Ebene der vegetativen-affektiven Steuerung 
    • Sie ist die unterste Ebene und entsteht bereits in der 7. Schwangerschaftswoche. Die hier stattfindenden Antriebe und Affektzustände sind unser stammesgeschichtliches Erbe und sind weitgehend genetisch bedingt.
  2. Die Ebene der emotionalen Konditionierung 
    • Diese Ebene entsteht durch genetische Vorgaben, durch vorgeburtliche Prägung und frühkindliche psychosoziale Erfahrungen. Sie ist das „Kleinkind“ in uns und bleibt ein Leben lang egoistisch-egozentrisch.
  3. Die Ebene der limbischen Großhirnrinde 
    • Auf dieser Ebene geht es schwerpunktmäßig um Sozialverhalten, Aufmerksamkeitssteuerung, Risikoeinschätzung und das bewusste Gefühlsleben. Die Entwicklung dieser Ebene vollzieht sich von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Auf dieser Ebene lernen wir Fähigkeiten, die uns die Anpassung an natürliche und gesellschaftliche Einflüsse ermöglichen.
  4. Die Ebene der kognitiv-kommunikativen Funktionen 
    • Sie umfasst den präfrontalen Cortex als Sitz des Arbeitsgedächtnisses, des Verstandes und der Intelligenz. Und sie umfasst unsere Sprachzentren. Diese Ebene hat am wenigsten mit unserer Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Sie entsteht in den späten Phasen der vorgeburtlichen Entwicklung und reicht bis ins Erwachsenenalter hinein.

Erkenntnisse und Konsequenzen für unsere Persönlichkeitsbildung

Die Wirkung der unteren Ebenen auf die oberen Ebenen ist wesentlich größer als umgekehrt. Ein aufgeschlossenes Temperament (Ebene 1) und eine positive emotionale Konditionierung (Ebene 2) machen es den gesellschaftlichen und erzieherischen Einflüssen (Ebene 3) leicht, und das Kind wird sich gesellschaftlich umgänglich und anpassungsfähig entwickeln.

Umgekehrt wird es kaum möglich sein, ein verschlossenes und misstrauisches Kind (Ebene 1), das zudem traumatisierende Erfahrungen gemacht hat (Ebene 2) zu einer offenen und anpassungsfähigen Persönlichkeit (Ebene 3) zu entwickeln – da hilft auch die beste soziale Umgebung nur wenig.

Ein besonderes Phänomen bei der Persönlichkeitsentwicklung ist, dass Verstand und Vernunft sich unterschiedlich entwickeln.

Die Ursache hierfür besteht darin, dass die Areale des Gehirns, die für Verstand und Intelligenz zuständig sind (präfrontaler Cortex) nur verhältnismäßig wenig in Kontakt mit den Arealen stehen, die unsere soziale Vernunft steuern (limbische Areale).

Die Kunst der Verhaltensänderung1

Hierin liegt die Begründung, dass es durchaus sein kann, dass jemand sehr intelligent aber nicht vernünftig i. S. sozialer Emotionalität ist.

Bei der Frage nach den Möglichkeiten der Verhaltensänderung sind neben den grundlegenden Faktoren wie genetische Veranlagung, frühe Mutter-Kind-Beziehung und soziale Rahmenbedingungen auch neurobiologische Defizite nicht zu unterschätzen.

Die Kunst der Verhaltensänderung2

Die Ursachen hierfür sind oft Stress, Leistungsdruck, falsche Ernährung, mangelnde Bewegung oder fehlende Entspannung.

Ein Mangel des wichtigen Neurotransmitters Serotonin bewirkt z. B. ein Gefühl der Beunruhigung oder ruft das Gefühl des Bedrohtseins hervor.

Warum es uns so schwer fällt sich und andere zu verstehen

Weitere Einflussfaktoren bei der Verhaltensänderung finden wir in der Kommunikation. Wenn Menschen miteinander kommunizieren ist es nicht möglich Bedeutungen zu übertragen. Die Aussage „Der Ordner liegt auf dem Schreibtisch“ ist eindeutig und unmissverständlich. Die Aussage „Ich freue mich, dass Sie so erfolgreich sind“ ist hingegen mehrdeutig, da die Begriffe „Freude“ und „Erfolg“ an individuelle Emotionen gekoppelt sind. Kommunikation zwischen zwei oder mehr Menschen ist niemals ein direkter Austausch von Informationen, sondern lediglich die Anregung zu wechselseitiger bewusster oder unbewusster Konstruktion von Bedeutungen!

Auch wenn es darum geht sich selbst zu verstehen, treten diese Probleme auf. Was wir fühlen ist das Ergebnis dessen, was uns unsere Großhirnrinde, also unser Bewusstsein, signalisiert. Das, was uns aber unsere Großhirnrinde signalisiert, ist wiederum das Ergebnis von Erregungen, die in tiefer gelegenen Arealen, wie z.B. in der Amygdala und dem mesolimbischen System, entstehen. Und das, was dort entsteht ist wiederum maßgeblich von unseren bereits erwähnten genetischen Veranlagungen und unserer vor- und frühnachgeburtlichen Prägung, also unserem Unbewusstsein abhängig. Was also in unserer Großhirnrinde als bewusste Gefühle oder Motive entsteht, sind Interpretationen der Erregungen aus den unbewusst arbeitenden limbischen Zentren.

Wie wir uns und andere täuschen

Einer der gefährlichsten Einflußfaktoren bei der Verhaltensänderung ist das täuschen von sich selbst und anderen. Diese geschieht häufig, wenn sich jemand überschätzt hat oder seine Ziele nicht erreicht.

Wenn dies geschieht geht es immer darum, eine tiefe Verwundung zu kompensieren, was sich dann in verschiedenen Handlungsmustern ausdrückt. Mögliche Handlungsmuster sind dann:

  • „Die Strategie der Selbstberuhigung“
  • „Die Strategie der Schuldzuweisung“ oder
  • „Die Strategie des verkannten Genies“.
Die Kunst der Verhaltensänderung3

Es ist also nicht so einfach sich oder andere zu ändern. Wenn es darum geht andere zu ändern werden in der Praxis meist folgende Strategien angewendet:

  1. Der Befehl von oben
  2. Der Appell an die Einsicht

Beide Strategien funktionieren i.d.R. nicht oder nicht dauerhaft, da man hiermit nicht die Ebene der emotionalen Konditionierung, also das „Kleinkind“ in uns erreicht. Die einzige Strategie die Aussicht auf Erfolg hat, ist die

  1. Orientierung an der Persönlichkeit

Bei dieser Strategie geht es darum die gewünschte Verhaltensänderung unter Wahrung der Selbstachtung und unter Berücksichtigung der Fähigkeiten eines Menschen zu erzielen. Diese Strategie ist allerdings sehr aufwendig, da sie voraussetzt, dass man die individuellen Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen gut kennt.

Wie wir uns und andere verändern können

Der erste und einfachste Schritt hin zur Orientierung an der Persönlichkeit ist aber recht einfach: Man sollte mit den Menschen häufiger über persönliche Gespräche und weniger über Emails oder Chats kommunizieren, da bei diesen modernen Medien keine wirklichkeitsgetreuen Emotionen übertragen werden.

Die Kunst der Verhaltensänderung4

Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt ist die Vorbildfunktion desjenigen, der einen anderen verändern möchte.

Und dabei geht es vor allem um Tugenden wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Pflichtbewusstsein, Höflichkeit und Gewissenhaftigkeit.

Auch wenn es darum geht sich selbst zu ändern sind die Grenzen eng gesteckt. Erschwerend kommt hinzu, dass man sich selbst gegenüber ja kein Vorbild sein kann, denn wenn man bereits über alle tollen Vorbildeigenschaften verfügt, dann ja nur deshalb, weil uns unsere limbischen Ebenen dazu gemacht haben, aber nicht umgekehrt.

Das einzige was hier hilft um die limbischen Ebenen „weich zu klopfen“ ist die Selbstmotivation. Diese Selbstmotivation ist immer dann nötig, wenn Zweifel aufkommen, man sich die Sinnfrage stellt, oder wenn man glaubt es nicht zu schaffen. Dabei gibt es im wesentlichen 4 Möglichkeiten:

  1. Vorbilder und Idole suchen
  2. Ziele klar formulieren
  3. Teilziele stecken (kleine Schritte)
  4. Selbstbelohnung

Quelle Bilder& Text: AFNB – Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement

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