Mangels Zahlenaffinität lagern viele Unternehmer ihr Controlling aus – mit zum Teil verheerenden Folgen. Denn wenn der Umsatz stimmt, die Umsatzrendite aber nicht, sind viele schnell überfordert! Welche Kennzahlen sind für die Unternehmenssteuerung relevant? An welchen Kennzahlen erkenne ich die Gründe für die fehlende Umsatzrendite? Wie kann ich gegensteuern?
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ToggleEs gibt unternehmerische Schicksale, die einem nahe gehen, obwohl man die Beteiligten nicht gut kennt. Kürzlich befand ich mich wieder in einer solchen Situation.
Ein befreundeter Unternehmer hatte ein Kennenlerngespräch mit mir und den Besitzern seines Lieblingsrestaurants arrangiert. Das Thema: Die Gastronomen meinten, dass das Restaurant nicht so viel abwirft, wie er könnte und sollte. Sie waren daher an Ideen und Ratschläge interessiert. Vielleicht könnten sie die Abläufe durch Gastronomie-Software optimieren?
Da saß ich also mit zwei sehr sympathischen jungen Gastronomen. Beide in der Gastronomie groß geworden. Beide mit dem Herz am rechten Fleck und Feuer und Flamme für ihre Profession.
Sie hatten die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) des laufenden Jahres dabei. Ein Blick darauf und ein paar weitere Fragen genügten, um zu erkennen, dass nicht Prozessoptimierung das Thema der Stunde war. Ich musste ihnen den Gang zum Rechtsanwalt und zum Amtsgericht empfehlen, um einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit zu stellen.
BWA war, ist und bleibt (?) ein viel zu wenig nutzerfreundliches Instrument
Dabei hätte ein Blick in die BWA genügt, um zu erkennen, dass Gefahr im Verzug war. Das Unternehmen arbeitete mit Verlusten, die sich von Monat zu Monat aufsummierten. Eine leicht verständliche Kennzahl zur Unternehmenssteuerung, wie ich meine, die an sich leicht aus der BWA zu entnehmen gewesen wäre.
Wäre da nicht das Problem, dass gerade für Menschen, die keine Affinität zu Zahlen haben, der Blick in die trockenen Zahlenkolonnen einer BWA eine extrem hohe Hürde darstellt.
Aber das eigentliche Problem ist ein anderes:
Meine Einschätzung traf die beiden offensichtlich völlig unerwartet. Sie hatten das Thema „Zahlen“ gedanklich an den Steuerberater ausgelagert und glaubten, sich nicht weiter damit beschäftigen zu müssen. Dazu gehörte auch die Ermittlung von Kennzahlen für eine effektive Unternehmenssteuerung, das Erkennen von Abweichungen und das Vorschlagen von Maßnahmen.
Warum der Steuerberater in diesem Fall nicht schon vor Monaten darauf aufmerksam gemacht hat, ist mir in der Tat ein Rätsel.
Sollen Steuerberater und Buchhalter die Unternehmer-Rolle besetzen?
Ich bin seit über 30 Jahren in der Beratung und Betreuung von Unternehmen tätig. Ich halte es eher für die Regel als für die Ausnahme, dass ein mittelständischer Unternehmer die Zahlen seines Unternehmens nicht wirklich kennt. Und dass er sich eher blind auf seinen Steuerberater und/oder seine Buchhaltung verlässt.
Das erkenne ich u. a. daran, wie der Unternehmer auf meine Fragen antwortet. Ich will vielleicht wissen, warum die Ausgaben auf dem Konto xy im Vergleich zur Vorperiode explodiert sind. Er antwortet dann: „Weiß nicht, muss ich mir erst mal anschauen“.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie beginnen damit, dass der Mathematikunterricht in Deutschland bei den Schülern nicht den besten Ruf genießt. Manche brüsten sich geradezu damit, dass sie in der Schule schlecht in Mathe waren. Und dass sie auch heute noch nicht so gut mit Zahlen umgehen können.
Die selbsterfüllende Prophezeiung solcher Sätze ist nicht zu unterschätzen. Glasige Augen auch im Erwachsenenalter beim Anblick von Zahlen sind dann an der Tagesordnung.
Und sie enden damit, dass die IT-Systeme die Nutzer mit Unmengen von „Daten“ überschwemmen. Die berüchtigten Zahlenfriedhöfe. Der Unternehmer steht allein vor dieser Aufgabe,
- herauszufinden, ob die Daten verlässlich sind und
- daraus für ihn „relevante Kennzahlen“ zur Unternehmenssteuerung abzuleiten.
Die Datenqualität
Auf Basis welcher Daten treffen Sie als Unternehmer Ihre Entscheidungen? Die Frage nach der Verlässlichkeit dieser Daten war, ist und wird auch in Zukunft ein immer wiederkehrendes Thema sein:
- Welchen Mehrwert erwarten Sie von der Datenerhebung und haben Sie die richtigen Daten erhoben?
- War die Art und Weise der Erhebung der Daten korrekt?
- Haben die Mitarbeiter die Daten fehlerfrei in das System eingegeben bzw. übertragen?
Ein Beispiel für a) ist die Berechnung der „Forderungslaufzeit in Tagen“. Die üblicherweise hinterlegte Formel rechnet vom Rechnungsdatum bis zum Zahlungseingang. Viele KMU lassen sich aber viel zu viel Zeit für die Erstellung und den Versand einer Rechnung. Was nun?
Die Erfassung der Tage zwischen Leistungserbringung und Zahlungseingang wäre daher m. E. die deutlich aussagekräftigere Kennzahl zur Unternehmenssteuerung.
Ein Beispiel für b) wäre, wenn Ihr Vertrieb eine Kundenbefragung durchführt und dabei Suggestivfragen stellt. Anstatt in Erfahrung zu bringen, was der Kunde wirklich meint, erhält man die Antworten, die man zu hören wünscht.
Was den Punkt c) betrifft, so sind die buchhalterischen Vorgänge sehr anfällig. Ich stoße regelmäßig auf schwerwiegende Fehler in den Buchhaltungsvorgängen der Kundenunternehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Buchhaltung intern oder extern erledigt wird.
„Wo Müll reinkommt, kommt auch Müll raus“. Getreu diesem Motto ist Vorsicht geboten, wenn Kennzahlen aus BWA und Jahresabschluss zur Unternehmenssteuerung herangezogen werden. Schon deshalb ist es unerlässlich, dass Sie als Unternehmer ein Gefühl für Ihre Zahlen entwickeln. Denn am Ende zahlen Sie die Zeche – wie das Beispiel der Gastronomen zeigt.
Gewinnung aussagekräftiger Kennzahlen aus den Daten
Früher wusste der Unternehmer, welche Kennzahlen für ihn zur Unternehmenssteuerung relevant waren und sammelte die entsprechenden Daten. So ließ er sich z. B. den täglichen Auftragseingang von einem Mitarbeiter präsentieren.
Alle anderen Kennzahlen, die für ihn ebenfalls relevant gewesen wären, blieben im Verborgenen. Denn ohne Information kann man nicht wissen, was man nicht weiß. Fallbeispiel:
- Ein Unternehmer hatte nie den tatsächlichen Materialaufwand seiner Projekte mit dem ursprünglich geplanten Aufwand verglichen. Hätte er dies getan, wäre ihm aufgefallen, dass bei Großprojekten regelmäßig eine erhebliche Diskrepanz bestand. Einer seiner leitenden Projektleiter kaufte privat genutztes Material auf Firmenkosten und verrechnete es auf seine Projekte.
IT-Systeme generieren heute selbstständig eine Vielzahl von Daten. Und sie leiten daraus alle möglichen Kennzahlen ab, die für eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung relevant sein können.
Der Softwarehersteller kann Ihr System so konfiguriert haben, dass ein Standardbericht den Auftragseingang nach verschiedenen Dimensionen darstellt – z. B. Kundentyp, Region, Produktgruppe, Verantwortlicher, Auftragsmonat.
Findet die angebotene Information einen Nutzer, der sich freiwillig mit dem Bericht auseinandersetzt? Wird er die Information für relevant halten? Das bleibt abzuwarten.
Unterschied zwischen „KPI“ und „Kennzahlen“ für die Unternehmenssteuerung
Die Begriffe Kennzahlen im Allgemeinen und Key-Performance-Indicator (KPI) bzw. Leistungsindikator im Besonderen werden manchmal synonym verwendet. Eine Unterscheidung ist jedoch sinnvoll:
KPI sind spezifische Kennzahlen in der Unternehmensführung, mit denen Sie den Grad der Erreichung Ihrer Unternehmensziele messen können. Beispiele:
- Wenn Wachstum das vorgegebene Ziel ist, dann verwenden viele Umsatz als KPI, um die Zielerreichung zu messen.
- Wenn Sie die Marktführerschaft in Ihrer Branche anstreben, könnte die Berechnung des Marktanteils ein geeigneter KPI sein.
- Wenn „Lean Management“ ein strategisches Ziel ist, kann es hilfreich sein, das Betriebsergebnis auf die zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden herunterzubrechen.
Kennzahlen, wie ich sie in diesem Beitrag verwende, betreffen das Tagesgeschäft. Sie sind die operativen Indikatoren auf dem Weg zu KPIs.
Mit anderen Worten: KPIs zeigen, was erreicht wurde. Kennzahlen sind Hinweise in den Prozessen, um eine Aussage darüber treffen zu können, was voraussichtlich erreicht wird.
- Wenn das Umsatzwachstum Ihr KPI ist, dann könnte die Anzahl der Kundenbesuche Ihres Außendienstes eine relevante Kennzahl sein, um sicherzustellen, dass Sie Ihr Ziel erreichen.
Spannend und anspruchsvoll wird es, wenn man mit KPI oder Kennzahlen eine qualitative bzw. subjektive Größe – wie z. B. die Kundenzufriedenheit – messen will. Die Festlegung geeigneter KPI oder Kennzahlen sollte daher immer als Hypothese betrachtet werden, deren Gültigkeit regelmäßig kritisch überprüft werden sollte.
Ist „Umsatz“ ein aussagekräftiger KPI zur Unternehmensführung?
Für Unternehmer ist in der Regel der Umsatz der wichtigste KPI zur Unternehmensführung, und ihr Hauptaugenmerk liegt auf dessen Steigerung. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz.
- Erstens, weil Umsatz nicht gleich Zahlungseingang bedeutet.
Ein Unternehmen kann volle Auftragsbücher und buchhalterische Gewinne vorweisen. Wenn es aber seine Finanzen nicht im Griff hat, wird es womöglich einen tiefroten operativen Cashflow haben. Ein solches Unternehmen lebt und wächst auf Pump und ist damit auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen der Hausbank ausgeliefert.
Nur mit dem tatsächlich eingegangenen Geld kann das Unternehmen seine offenen Rechnungen autark begleichen.
Nehmen wir an, Sie können sicher sein, dass das Geld pünktlich fließt. Dann gilt:
- Ihr Unternehmen lebt streng genommen nicht davon, dass der getätigte Umsatz fließt.
Es lebt davon, dass Ihre Mitarbeiter den eingegangenen Auftrag mit dem realistischen Aufwand erledigen, der hoffentlich der Auftragskalkulation zugrunde lag.
Wie viel bleibt am Ende übrig?
Das war auch das Grundproblem der Gastronomen und der Grund für ihre Insolvenz. Sie konnten offensichtlich gut kochen und das Essen aus hochwertigen Zutaten kam bei den Gästen sehr gut an. Das Restaurant war gut besucht, obwohl die Preise einzelner Gerichte im oberen Drittel des Marktes lagen. Die Umsatzentwicklung war durchaus zufriedenstellend.
Der Betrieb arbeitete jedoch mit Verlusten, die sich von Monat zu Monat anhäuften. Aus der BWA war leicht ersichtlich, dass der Materialaufwand in keinem gesunden Verhältnis zum Umsatz stand. Die erwirtschaftete Marge reichte nicht aus, um die Betriebskosten zu decken.
Die Portionen waren nämlich viel zu groß, so dass ein großer Teil als Essensreste im Müll landete. Hätte man diese Erkenntnis schon vor einigen Monaten gehabt, hätte man noch gegensteuern können. Aber jetzt war es leider schon fünf nach zwölf!
Wenn der Umsatz stimmt, die Umsatzrendite aber nicht, dann rächt sich die fehlende Zahlenaffinität bitter. Viele sind dann schnell überfordert, die Ursachen zu erkennen und gegenzusteuern.
Der übliche Lösungsansatz: Mehr Umsatz!
Wie oft verkaufen Sie die Arbeitsstunden des Unternehmens?
Apropos mehr Umsatz: Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Unternehmen ihre Arbeitsleistung, also die Arbeitsstunden ihrer Mitarbeiter, (unbewusst) mehrfach verkaufen. Mit anderen Worten: Es gibt immer mehr zu tun, als an Personalkapazität zur Verfügung steht.
Die Folge ist, dass die ursprünglich geplanten Termine nicht eingehalten werden können. Und/oder der Auftraggeber muss Einbußen bei der zugesicherten Leistungsgüte hinnehmen.
Dies ist eine andere Situation als beispielsweise in der Hotellerie oder im Flugverkehr. Denn in diesen Branchen gehört die Stornoquote zu den relevanten Kennzahlen der Unternehmenssteuerung, mit denen gerechnet wird. Überbuchungen werden daher von den Entscheidungsträgern bewusst in Kauf genommen – und sie beherrschen (hoffentlich) die Instrumente dazu.
Nehmen wir nun ein Unternehmen, in dem alle unter Stress stehen, Überstunden inklusive, um das Arbeitspensum bewältigen zu können. Und trotzdem bleibt unter dem Strich nicht viel übrig.
In diesem Fall ist es eher unwahrscheinlich, dass die fehlende Umsatzrendite durch Zeit-/Projektmanagement-Software behoben werden kann. Warum ist das so?
Angenommen, dieses Unternehmen verkauft seine Arbeitszeit durch den Einsatz von Software künftig nur einmal. Und es plant genügend Zeitpuffer für Kreativität, Weiterbildung, Kommunikation und Unvorhergesehenes ein. In diesem Fall würde das Unternehmen wahrscheinlich untergehen, weil es zu wenig Geld verdient.
Denn das eigentliche Problem und seine nachhaltige Lösung liegen oft viel tiefer: in der Produkt-/Preispolitik. Für eine effektive Unternehmenssteuerung mit aussagekräftigen Kennzahlen sollte diese dringend überdacht und mit einer ordentlichen Kalkulation untermauert werden.
Unzureichende Produkt-/Preispolitik im Mittelstand
Denn ohne eine definierte Produktpolitik wird die Stärke der KMU, ihre Flexibilität, leicht zu ihrer Schwäche! In diesem Fall versuchen sie, immer das zu liefern, was der Kunde gerade verlangt. Ohne sich über ihre unternehmerischen Grenzen im Klaren zu sein. Ohne zu wissen, welche Aufträge sie besser nicht annehmen sollten.
- Angenommen, eine große Gruppe reserviert fast das ganze Restaurant und erscheint dann nicht. Die Folgen sind katastrophal, wenn dies an einem an sich umsatzstarken Tag geschieht. Obwohl die obigen Gastronomen diese Erfahrung in der Vergangenheit immer wieder gemacht haben, wurden für solche Fälle keine Vorkehrungen getroffen.
Im schlimmsten Fall hat sich der Unternehmer bei seiner Preispolitik einfach an anderen Marktteilnehmern orientiert. Ohne zu kalkulieren, ob er mit den realistisch zu erwartenden Erlösen auskommt.
Im günstigsten Fall hat er eine Kalkulation auf Basis der gebuchten Personalkosten durchgeführt. Nicht aber auf Basis kalkulatorischer Kosten, wenn man den realistischen Zeitaufwand berücksichtigt. Die kalkulatorischen Kosten erweisen sich in vielen Fällen als deutlich günstigere Kennzahlen für eine effektive Unternehmenssteuerung.
Wie aussagekräftig sind die gebuchten Personalkosten?
Warum rate ich von der Verwendung der gebuchten Personalkosten ab? Sei es für die Festlegung der Produkt-/Preispolitik oder als Kennzahl für die Unternehmenssteuerung.
Das Problem besteht darin, dass
- die Gehälter der Schlüsselpersonen deutlich unter dem Markt liegen können und somit bei einer Neubesetzung der Stelle den Kostenrahmen sprengen und
- Löhne und Gehälter fatalerweise oft als „Flatrate“ wahrgenommen werden und die Kalkulation somit nicht die Realität des Unternehmens widerspiegelt.
Mit „Flatrate“ meine ich einen Pauschalpreis, der unabhängig von der Menge der in Anspruch genommenen Leistung bezahlt wird. Je mehr Leistung man für einen bestimmten Preis erhält, desto lukrativer wird es.
Folgerichtig wundert oder ärgert sich der eine oder andere Unternehmer, wenn der Mitarbeiter pünktlich Feierabend machen will, obwohl noch viele dringende Aufgaben zu erledigen sind.
- Der eine beklagt dabei womöglich mangelnde Leistungsbereitschaft und fehlendes Engagement: Ein Mitarbeiter muss zeigen, dass er erfolgshungrig ist und vorankommen will.
- Der andere wünscht sich vielleicht einen Mitarbeiter, der sich stärker mit dem „Purpose“ des Unternehmens identifiziert. Jemanden, der dafür brennt, das Unternehmen proaktiv voranzubringen.
Unterschiedliche Formulierungen, die jedoch auf die gleiche Erwartungshaltung schließen lassen.
Sonderfall: Lohn für Arbeit im eigenen Unternehmen
Diese Einstellung zur Leistungsmenge der Mitarbeiter kann zum Teil dadurch beeinflusst sein, dass der Unternehmer sich selbst als Maßstab nimmt. Denn sein Gehalt kann durchaus als „Flatrate“ angesehen werden. Es ist in der Regel unabhängig von der Menge seiner Leistung, d. h. er bekommt nicht mehr, wenn er mehr arbeitet.
Nehmen wir nun einen Betrieb, in dem der Unternehmer 80 Std./Woche arbeitet. Dennoch bleibt unter dem Strich nicht genug übrig. Nun hat er aus gegebenem Anlass den Wunsch/Plan, in Zukunft „nur“ noch 40 Std./Woche zu arbeiten. Dafür möchte er einen neuen Mitarbeiter einstellen.
Es ist unwahrscheinlich, dass er diesen Plan nachhaltig umsetzen kann. Denn die Kosten für einen neuen Mitarbeiter sind in der Kalkulation der bestehenden Produkt-/Preispolitik nicht berücksichtigt. Daher kann er sich diese Kosten, auch wenn sie noch so günstig sind, wirtschaftlich nicht leisten.
Schlimmer noch: Es ist wahrscheinlicher, dass er mit seinen 80 h/Woche eine qualitativ hochwertige Leistung erbringt. Eine Leistung, die nicht ohne weiteres durch weniger qualifizierte Mitarbeiter kompensiert werden kann. Einen Ersatz auf diesem Qualitätsniveau kann er sich daher erst recht nicht leisten.
Um also eines Tages weniger arbeiten zu können, müsste er zuerst an der Basis ansetzen und seine Produkt-/Preispolitik überdenken. Und diese mit einer ordentlichen Kalkulation untermauern.
Sollten Personalkosten als Fixkosten behandelt werden?
Und hier schließt sich der Kreis, warum Unternehmen nicht gut beraten sind, die gebuchten Löhne und Gehälter zu berücksichtigen. Weder als Fixkosten in der Kalkulation ihrer Produkt-/Preispolitik, noch als Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung.
Denn in Wirklichkeit kauft das Unternehmen ein Zeitkontingent, z. B. 40 Stunden pro Woche, zu einem festen Stundensatz ein.
Das ist ein großer Unterschied, denn folgende Fragen stellen sich dabei:
- Was macht der Mitarbeiter in/mit dieser Zeit?
- Wie effektiv und effizient nutzt das Unternehmen die ihm zur Verfügung gestellte Zeit?
Angenommen, ein externer Dienstleister benötigt 40 Stunden für eine Aufgabe, die eigentlich nur vier Stunden in Anspruch nehmen sollte. Diese Diskrepanz fällt spätestens bei der Rechnungsstellung auf.
Nehmen wir nun den Fall, dass ein angestellter Mitarbeiter über mehrere Wochen hinweg 40 Stunden für die gleiche Aufgabe benötigt. Dies mag niemandem auffallen. Dies korreliert wiederum positiv mit der fehlenden Zahlenaffinität und dem Fehlen relevanter Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung.
Dazu ein Beispiel eines Unternehmers, der sich freute, wenn seine Mitarbeiter fleißig waren und freiwillige Überstunden leisteten. Dies veranlasste einen Vertriebsmitarbeiter,
- die Produktmaske aufzurufen,
- die Produktdetails der anzubietenden Produkte handschriftlich auf ein Blatt Papier zu schreiben,
- anschließend die aufgeschriebenen Details in ein Word-Angebotsdokument einzutippen und
- anschließend das Dokument aufwendig zu formatieren.
Stattdessen hätte er die Produkte im System auswählen und per Mausklick automatisch ein Angebotsschreiben generieren können. So wurden aus ein paar Minuten Arbeitszeit viele Stunden Arbeitszeitverschwendung. Um beim Chef einen guten Eindruck zu hinterlassen, wohlgemerkt!
Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich manche sehr gut nach außen darstellen können. Wie kann man dann den realistischen Arbeitsaufwand für eine Tätigkeit einschätzen? Und zwar so, dass er von beiden Seiten als fairer Maßstab empfunden wird.
Moderne Personalführung: Fluch oder Segen?
Hier macht sich der Zeitgeist im Personalmanagement positiv wie negativ bemerkbar. Positiv ist festzuhalten:
In vielen Unternehmen ist zur Selbstverständlichkeit geworden, dass der Vorgesetzte regelmäßig das Gespräch mit dem Mitarbeiter sucht. Dass er bei der Stellenbeschreibung auf die individuellen Bedürfnisse und Stärken eingeht. Und dass er für ein motivierendes Arbeitsumfeld sorgt, in dem sich der Mitarbeiter fachlich und menschlich weiterentwickeln kann.
Erst die Pflicht, dann die Kür!
Negativ ist anzumerken, dass in manchen Unternehmen Pflicht und Kür die Plätze getauscht zu haben scheinen! Was ich damit meine, möchte ich am plakativen Beispiel eines Mitarbeiters in der Buchhaltung verdeutlichen:
- Fall A: Der Mitarbeiter arbeitet hochkonzentriert und macht trotz seines enormen Arbeitspensums nie einen Fehler.
- Er legt keinen Wert auf Geselligkeit und ist sogar eher mürrisch. Er blafft regelmäßig seine Kollegen an, die ihn mit unnötigen Fragen von der Arbeit abhalten.
- Fall B: Der Mitarbeiter ist kontaktfreudig und geht respektvoll mit seinen Kollegen um. Er sorgt für ein positives Arbeitsklima und hat immer ein offenes Ohr für andere.
- Sein Leistungsniveau ist jedoch eher niedrig. Er hat Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Er macht viele Fehler, die im Nachhinein vom Vorgesetzten entdeckt und korrigiert werden müssen, um Schlimmeres zu verhindern.
Modernes Personalmanagement, das m. E. über das Ziel hinausschießt, tendiert dazu, Mitarbeiter A, der vermeintlich nicht in die Unternehmenskultur passt, auszusortieren. Mitarbeiter B wird als wertvoll angesehen, in dessen Förderung und Weiterbildung investiert wird.
Fazit:
Es ist ein weit verbreitetes Phänomen und birgt erhebliche Risiken, dass viele Mittelständler die Zahlen ihres Unternehmens nicht wirklich kennen. Wie gefährlich es ist, das Verständnis der eigenen Unternehmenszahlen blind an andere auszulagern, zeigt die Geschichte der Gastronomen eindrücklich.
Ich möchte sieben Punkte hervorheben, mit denen Sie Ihre Situation verbessern können:
- Sicherstellung der Datenqualität: Ein zentrales Thema für jedes Unternehmen ist die Sicherstellung der Datenqualität. Ein weiteres zentrales Thema ist, die Daten in aussagekräftige Kennzahlen zu übersetzen, um eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung zu ermöglichen.
- Verbesserung des Finanzwissens und des Zahlenverständnisses: Als Unternehmer sollten Sie ein Gefühl für ihre Zahlen entwickeln. Es lohnt sich daher, einen Dienstleister zu beauftragen, der Sie dabei unterstützt. Jemanden, der Schritt für Schritt hilft, individuelle Kennzahlen zu erarbeiten. Kennzahlen, die es ermöglichen, Ungereimtheiten in den Abläufen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern.
- Aktive Beteiligung an der Finanzplanung und -analyse: Ein grundlegendes Verständnis des Rechnungswesens ist für eine effiziente Unternehmensführung unerlässlich. Statt sich ausschließlich auf Buchhalter oder Steuerberater zu verlassen, sollten Sie sich aktiv an der Finanzplanung und -analyse beteiligen. Dazu gehört die regelmäßige Überprüfung von BWA, Budgets und Finanzprognosen.
- Stärkung der internen Kontrollsysteme: Ein wirksames internes Kontrollsystem kann zur Vermeidung von Fehlern und Betrug beitragen. Die Einrichtung von Gegenkontrollen verhindert, dass einzelne Personen unkontrolliert über die Finanzen verfügen können.
- Bewertung der benötigten Arbeitszeit zu Marktpreisen: Betrachten Sie Gehälter nicht als „Flatrate“. Vielmehr sollte ein realistischer Arbeitsaufwand mit realistischen Marktpreisen bewertet werden. Diese Kalkulation dient dann als Grundlage für die Produkt-/Preispolitik.
- Konzentration auf nachhaltiges Wachstum: Die langfristige und nachhaltige Umsatzrentabilität auf Basis einer soliden kaufmännischen Praxis sollte im Vordergrund stehen. Nicht der kurzfristige Umsatz oder Gewinn. Voraussetzung dafür sind korrekte Kalkulationen und eine durchdachte Produkt-/Preispolitik.
- Förderung einer Unternehmenskultur der finanziellen Eigenverantwortung: Ihre Mitarbeiter brauchen ein Grundverständnis für die finanziellen Aspekte des Unternehmens. Eine Kultur, in der sie sich ihrer Rolle für die Produktivität und Rentabilität des Unternehmens bewusst sind.