Work-Life-Balance: Der Begriff ist nicht nur semantisch ein Fehlgriff, sondern er verstärkt das Problem, dass man möglicherweise an der falschen Stelle nach einer Lösung sucht.
Work-Life-Balance: Es geht letztlich um eine „Balance“, das ist richtig. Aber ganz gewiss nicht um eine Balance zwischen Work und Life! Das Wort suggeriert, dass „Work“ nicht ein Teil von „Life“ ist und sogar im Kontrast dazu steht!
Wenn der Workaholic nicht mehr 15 Stunden am Tag arbeitet, sondern nur noch 12, und in den eingesparten drei Stunden seine neuen privaten Hobbys abarbeitet…
…dann betreibt er nach wie vor das gleiche Spiel, nur mit anderen Mitteln!
Um welche Balance handelt es sich? Nachfolgend meine Antwort:
Parallel und zeitgleich haben wir es mit drei sehr unterschiedlichen Fragestellungen im Privatleben genauso wie im Beruf zu tun:
- Welches Ergebnis will ich erzielen? Welche Ziele und Zwischenziele brauche ich dafür? Welchen konkreten ersten Schritt unternehme ich, um weiterzukommen?
- Woran erkenne ich, ob mir selbst und anderen mein Handeln gut tut!? Wie gestalte ich eine gute Beziehung zu anderen – und zu mir selbst?!
- Kenne und wahre ich meine Grenzen? Habe ich die richtigen Lehren aus meinen Erfahrungen gezogen? Habe ich genügend Wissen, um die anstehenden Fragen zu beantworten? Habe ich die Chancen und Risiken genügend berücksichtigt?
In der Regel sind wir in einer der drei Fragenkomplexe zuhause und eine Frage vernachlässigen wir. Meiner Meinung nach haben wir Probleme, wenn das Ungleichgewicht zu stark ausfällt.
(Work-Life-)”Balance” heißt für mich, für sich eine Antwort zu finden, die diese drei Fragen bestmöglich im Einklang hält.
Dafür gibt es leider keine Patentlösung, die man aus einem Buch oder Vortrag entnehmen kann, denn die Antwort fällt bei jeder Person unterschiedlich und individuell aus. Jede Person hat eine andere familiäre und soziale Prägung und ist just umgeben von sehr unterschiedlichen Variablen. Das ist im Kern das, was ein Coach dann mit der Personen behandelt: ihr zu helfen, ihre individuelle Antwort zu finden.
Wenn ich mit Firmen zusammenarbeite, dann geht es letztlich um eine ähnliche Balance: zwischen
- z. B. Erträge erwirtschaften und wachsen
- z. B. Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit
- Risikomanagement, Controlling, also z. B. Fragen, wie: “kann und sollte ich mir diesen Kunden, dieses Angebot oder Wachstum leisten?”
Auch Firmen sind typischerweise in einer Frage sehr fit und in der anderen eher schwach. Kennen Sie die Stärken und Schwächen in Ihrer Firma?
5 Kommentare zu „Work-Life-Balance: mein persönliches Unwort des Jahrzehnts!“
Vielen Dank für den Artikel. Dieser ermutigt mich noch mehr dazu, gnadenlos ehrlich mit sich selbst zu sein. Dazu ist manch einer erstmal einfach zu faul. Menschlich.
Ich habe genug Male die Erfahrung machen müssen, dass meine Untreue meinen eigentlichen Werten, Wünschen und Bedüfnissen gegenüber, sich sogleich im Außen spiegelte. So brauchte ich mich nicht wundern, wenn ich selbst plöztlich angelogen oder hintergangen wurde. Sobald ich mich selbst anlüge, bewußt oder unbewußt, wird mir diese von der Außenwelt irgendwie gespiegelt. Und dann beklage ich mich noch darüber…
Solche ärgerliche Erfahrungen kann man sich sparen. Ich lerne jeden Tag immer mehr meinen inneren Schweinehund zu überwinden und mich den oben genannten und anderen Fragen zu stellen. Nicht immer einfach. Aber die Bilanz zeigt: Mittlerweile spare ich unheimlich viel Zeit und Nerven. Und ja, das Leben macht so mehr Spaß! K.V. Levant
Der Beitrag setzt voraus, dass jeder sich mit den Fragen auseinandersetzt.
Meine Frage ist ob man sich mit den gestellten Fragen auseinandersetzen muss?
Lebt es sich nicht unbekümmerter, wenn sich diese Fragen gar nicht stellen, schließlich endet jedes Leben mit dem Tod.
Das ist eine eher philosophische Frage, die Sie aufwerfen. “Unwissenheit ist ein Segen” ist der passende Spruch dazu. Sie reiht sich ein in die Kategorie anderer Fragen, die einem im Leben begegnen können – oder eben nicht – wie beispielsweise, ob man dringend zu wissen braucht, dass man Glutenalergiker ist und dann auf die Lieblingspizza verzichten muss, ob man zu wissen braucht, dass der Fisch, den man so lecker findet, vom Ausserben bedroht ist, ob die Eier zum Frühstück von einem dieser kranken und verletzten Hühner in der Massentierzucht stammen, u.s.w.
Wie bei allen philosophischen Themen gibt es mehrere Sichtweisen zur Auswahl. Und das ist gut so und bereichernd. Man macht sich meist erst dann Gedanken zu einem Thema, wenn man in irgendeiner Form davon betroffen ist. Sei es, dass es mich persönlich (be)trifft, oder mich emotional betroffen macht.
Der Artikel setzt voraus, dass jemand, der sich aus aktuellem Anlass mit den Ursachen beschäftigen *möchte*, diese Sichtweise bereichernd finden könnte.
Es ist weniger eine philosophische Frage als die Herangehensweise eine Frage, die sich noch nie gestellt hat, beantworten zu wollen.
Um bei Ihrem Beispiel mit dem Glutenalergiker der dann auf die Lieblingspizza verzichten müsste zu bleiben, möchte ich erwähnen, dass es sicherlich Millionen von Glutenalergiker gibt, die ihre Allergie nicht einmal kennen.
Der Grund liegt oft nicht in Desinteresse sondern darin, dass der Leidensdruck erträglich ist. Sollte der Leidensdruck mit der Zeit soweit steigen, dass ein Handlungsbedarf unumgänglich wird, würde die Person ihre Ursachen zwangsläufig nachgehen.
Oft kann man sagen:
Wissen ist zwar Macht, aber über dieses Thema nichts zu Wissen, macht auch nichts.
Ich bin bei Ihnen: Themen, die uns betreffen, haben meist die schlechte Angewohnheit, dass sie nicht darauf warten, gefunden zu werden, sondern sie finden uns. So kommt manch einer erst nach einem Hörsturz oder Herzinfarkt oder privaten Scherbenhaufen nach einer Scheidung zu diesem Thema.
Ungeachtet dessen, es gibt aber auch Wahlfreiheiten: Die Freiheit zu entscheiden, ob ich mich präventiv mit einem Thema beschäftigen möchte, das sich mir noch nicht offenbart hat, aber künftig offenbaren könnte.
Die Wahl, ob ich nur eigene Erfahrungen berücksichtigen sollte oder aber auch die Erfahrungen anderer.
Und die Wahl, ob ich die Symptome und Indizienbeweise, die sich bereits offenbart haben, so lange wie nur möglich ignoriere. Diese Wahl steht jedem zu und hängt mit eigenen Lebensphilosophie zusammen.
So findet man auch die gesamte Bandbreite vor: Auf der einen Seite Menschen, die regelrecht nach großen und problembeladenen Themen Ausschau zu halten scheinen und dabei zu übersehen scheinen, dass das Leben auch Spaß machen darf …
… und auf der anderen Seite Menschen, die immer wieder mit Anlauf gegen dieselbe Wand rennen und wohl davon ausgehen, dass irgendwann eine magische Tür an der Stelle aufgehen wird oder die Wand sich von selbst in Luft auflösen wird.