Beim Vorstellungsgespräch sollte man darauf achten, dass man nicht durch Äußerlichkeiten des Bewerbers vom eigentlichen Thema abgelenkt wird!
Beim Vorstellungsgespräch sollte man darauf achten, dass man nicht durch Äußerlichkeiten des Bewerbers vom eigentlichen Thema abgelenkt wird!

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Einstellungsgespräch: Wollen Personalentscheider manipuliert werden?

3 Min.

Als Personalentscheider ist man gut beraten, sich im Vorstellungsgespräch nicht durch Äußerlichkeiten vom eigentlichen Thema ablenken zu lassen! Die Realität sieht anders aus.

Manchmal hat man den Eindruck, dass sich Personalentscheider manipulieren lassen wollen. Man könnte sogar meinen, dass sie dies geradezu fördern. Unsinn? Lassen Sie es mich erklären:

Es gibt unzählige Fachbücher, die Bewerbern Ratschläge und Empfehlungen geben, wie ihr Lebenslauf aussehen sollte, um ein Vorstellungsgespräch zu bekommen, wie sie sich für ein Vorstellungsgespräch kleiden sollten, was sie sagen sollten, wie sie sich verhalten sollten und so weiter.

All dies, um den Gesprächspartner beim Vorstellungsgespräch zu beeindrucken und die Entscheidung positiv zu beeinflussen.

Das Faszinierende ist jedoch, dass sehr viele Personalentscheider selbst die Einhaltung dieser Spielregeln tatsächlich einfordern und sogar als zwingend voraussetzen!

  • Entspricht eine Bewerbung nicht bestimmten formalen Kriterien, wird der Bewerber häufig gar nicht erst zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
  • Kann er sich im ersten Gespräch nicht gut verkaufen, kommt er nicht in die nächste Runde.

Sehen Sie die Gefahr? Lassen Sie mich das an einem plakativen Beispiel verdeutlichen:

Ein Bewerber verfasst seinen Lebenslauf in Romanform, kann seine Kernkompetenzen nicht auf den Punkt bringen und macht Rechtschreibfehler. Aus Versehen wird er trotzdem zum Vorstellungsgespräch eingeladen und setzt beim Vorstellungsgespräch noch einen drauf: Er wirkt sehr unsicher, sein Anzug ist schmutzig und sein Kragen dreckig.

So weit, so schlecht.

Angenommen, es wird ein Transfer Pricing-Experte mit langjähriger Berufserfahrung gesucht, der sich darüber hinaus mit US-GAAP und IFRS bestens auskennt und sogar aus eigener Erfahrung weiß, was bei der anstehenden kompletten Systemumstellung schiefgehen könnte. Nach diesen Kriterien haben Sie Ihren Traumkandidaten vor sich.

Die Frage ist: Inwieweit sind die erstgenannten Schwächen wirklich relevant für diese Position? Mit anderen Worten:

Was ist leichter zu lösen: der schmutzige Kragen oder der Mangel an Fachwissen?

Sicher, wenn wir die Wahl haben, sind wir lieber reich und gesund als arm und krank. Aber wenn wir Prioritäten setzen müssen? Ist man als Personalentscheider nicht besser beraten, wenn man sich nicht von Äußerlichkeiten ablenken lässt?

Bei einer Stellenbesetzung geht es schließlich darum, eine Rolle mit der Person zu besetzen, die am besten zum Unternehmen passt. Gerade weil wir Menschen sind und bleiben, greifen wir bei jeder Entscheidung unbewusst auf unsere “emotionale Alarm-Datenbank” zurück, denn keine Entscheidung ohne Gefühle!

Ich empfehle daher, bei der Entscheidungsfindung zuvor eine zusätzliche Instanz zu etablieren, die dem entgegenwirken kann: die Ratio!

Meine Empfehlungen für Personalverantwortliche:

  1. Wenn möglich, lassen Sie sich die Lebensläufe intern als reinen Text ohne Formatierungen, ohne Bilder, ohne Angabe von Geschlecht, Alter und Namen vorlegen.
  2. Machen Sie sich bewusst, welche Schwächen beim idealen Kandidaten typischerweise zu erwarten sind. Zum Beispiel ist es zwar möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, dass ein Vollblut-Kundenbetreuer auch ein Excel- und Kalkulationsprofi ist (da er sich auch um Kundenkalkulationen und -datenbanken kümmern muss).
  3. Kennen und berücksichtigen Sie Ihre eigenen “Knöpfe”, die wahrscheinlich während des Bewerbungsprozesses gedrückt werden!

    Wenn Sie beispielsweise zu ausgeprägtem Perfektionismus neigen, wird ein Bewerber, der sich das Pareto-Prinzip zu eigen macht, wahrscheinlich eine bessere Ergänzung für Ihr Team sein (auch wenn Sie genau diese Einstellung stören wird) als jemand, der so “tickt” wie Sie (und mit dem Sie sich wahrscheinlich sehr schnell wohl fühlen werden).


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Kommentare

3 Kommentare zu „Einstellungsgespräch: Wollen Personalentscheider manipuliert werden?“

  1. Ich halte von den unzähligen Fachbüchern in dem die Bewerber “geschult” werden wenig.
    Abgehen von Selbstverständlichkeiten wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Vorbereitung auf das Gespräch oder Interesse für den Job, könnten viele Tips genau das Gegenteil bewirken, von dem der Bewerber sich erhofft.

    Der Personalentscheider ist keine Maschine mit einprogramierter Algorithmus, auch er/sie entscheidet -wenn auch nicht zugegeben wird- zu einem Teil aus dem Bauch.

    Der beste Bewerber mit den besten Zeugnissen und gut verlaufendes Interview würde den Job nie bekommen, wenn er den Entscheider allein optisch oder von der Wortwahl her an seinem bösen Nachbarn erinnert.

    Daran ändert auch die 1. Empfehlung an dem Entscheider nicht, denn spätestens bei dem Gespräch sitzt der böse Nachbar vor ihm.

    Die 2. Empfehlung kann ich nur zustimmen.

    Die 3. Empfehlung setzt voraus, dass der Entscheider innerhalb der kurzen Zeit die Schwächen des Bewerbers herausfindet. Lächerlich finde ich mittlerweile die abgedroschene Frage an dem Bewerber nach seinen Schwächen und Stärken.

    Die 4. Empfehlung setzt eine starke Persönlichkeit des Entscheiders voraus.
    (Jemandem zu nehmen der anders tickt als er) aber der Rat des Autors ist absolut richtig. Die Durchmischung in einem Team hat auch viele Vortile, genauso wie eine Fußballmannschaft die nicht nur aus Stürmrn bestehen soll.

    1. Kourosh Ghaffari

      zu 1: “[…]wenn er den Entscheider allein optisch oder von der Wortwahl her an seinem bösen Nachbarn erinnert”

      Mein Reden! Wir sprechen hier ja nicht davon, den künftigen Lebenspartner zu daten oder einen Kumpel zu finden, sondern von der Besetzung einer *Rolle*, die für *die Firma* am besten geeignet ist. Gerade weil der Mensch nun einmal Mensch bleibt, und leicht in die von Ihnen beschriebene “Falle” geraten kann, empfehle ich sicherzustellen, dass man *vorher* bereits eine zusätzliche Instanz zu Rate gezogen hat, die nun dagegen halten kann: die Ratio!

      zu 3: Abgesehen davon, dass Entscheider sich in Fragen der angewandten Menschenkenntnis bei Bedarf schulen lassen können, geht es hier gar nicht mal so sehr darum. Es reicht häufig, sich die Zeit zu nehmen und auf die eigene Berufserfahrung und auf den gesunden Menschenverstand zurück zu greifen. Das allein genügt meist zu erkennen, dass man gerade die Position der eierlegenden Wollmilchsau ausgeschrieben hat.

  2. “…wie sie sich für ein Interview kleiden sollten, was sie sagen sollten, wie sie sich verhalten sollten, usw.”

    Als GF habe ich stets von einem Kandidaten Abstand genommen, wenn ich der Meinung war, dass die Verhaltensweis einstudiert sein könnte.
    Somit ist der Rat des Autors richtig.

    D.

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