Kreativität und Innovation werden gerne synonym verwendet. Das ist nicht nur schade, sondern auch höchst kontraproduktiv, denn das, was sie unterscheidet, ist m. E. sehr relevant für den Berufsalltag.
Der Schwerpunkt bei Kreativität liegt auf Originalität. Es geht also um die Frage, wie neue Ideen entstehen. Der Schwerpunkt bei Innovation liegt auf Effektivität und Umsetzbarkeit. Es geht somit um die Frage der Verwertung einer Idee.
Werfen wir einen Blick auf die praktische Seite dieser Begriffsbestimmung für den Berufsalltag:
Wenn Kreativität Vorrang hat vor Innovation
Kreativität hat zwei natürliche Feinde:
- Äußere Faktoren wie beispielsweise Zeit- oder Erfolgsdruck, Übermüdung und Sauerstoffmangel, Stress oder Angst.
- Unser “innerer Kritiker”, der uns daran hindert, etwas Neues auszuprobieren. Der uns Angst macht, Fehler zu machen und uns vor Augen führt, was alles schieflaufen könnte.
Was Kreativität enorm fördert, ist, spielerisch mit Spaß und Freude Themen anzugehen, entspannt sein, frische Luft, Bewegung, Gedankenaustausch, etc. Das behaupte nicht ich, sondern u. a. die Gehirnforschung!
Wenn Sie also am Freitagnachmittag Ihre Hausagentur anrufen und darauf bestehen, dass eine kreative Lösung bis Montag 10:00 Uhr vorliegen muss, dann stellen Sie sich vielleicht das nächste Mal die folgende Frage:
Wenn ich meine Macht ausübe und einen Kreativen dazu nötige, das geplante Wochenende mit der Familie fallen zu lassen und unter Druck für mich zu arbeiten, tue ich wirklich mir selbst einen Gefallen damit?
Mal kann das ja passieren, aber wenn man Kreativen Glauben schenken kann, dann ist dieses Kundenverhalten eher die Regel als die Ausnahme. Apropos: Gerne empfehle ich das YouTube-Video “Café Communications – Deadlines“.
Es gelten im Übrigen die gleichen positiven und negativen Aspekte, sollte es Ihnen darum gehen, dass Ihre Mitarbeiter sich künftig auf einen neuen Gedanken einlassen: Z. B. dass sie die Umstrukturierung annehmen und ihre gewohnten Routinen aufgeben.
Hier brauchen Sie als Vorgesetzter in der Tat kreative Ideen, um sicherzustellen, dass Ihre Mitarbeiter den inneren Kritiker überwinden können.
Brauchen Sie eine Inspiration hierfür? Ich persönlich finde das YouTube-Video “Die Klavier Treppe” sehr inspirierend.
Meiner Beobachtung nach gibt es eine beachtliche Anzahl von Unternehmen, in denen der Inhaber auch der (einzige) kreative Ideenlieferant ist. Das “Problem” ist jedoch, dass der Inhaber über die nötige Durchsetzungsmacht verfügt, seine Ideen auch faktisch umzusetzen.
Das ist einerseits die große Stärke der inhabergeführten Firmen. Von dieser Durchsetzungsmacht träumt manch ein Konzernmanager.
Andererseits geht damit leider auch eine Schwäche einher: Eine gute oder gar geniale Idee ist aber nicht zwangsläufig eine umsetzbare Idee! U. a. genau dafür sorgt ja das Innovationsmanagement: Die Idee oder Ideen auf Durchführbarkeit und Priorität zu durchleuchten. Denn sonst bezahlt man womöglich ein sehr hohes Lehrgeld.
Innovationsmanagement
Dafür gibt es ja dann das Innovationsmanagement: Es begleitet den Innovationsmanagementprozess, definiert Bewertungskriterien und ihre Messgrößen. Am Ende stehen dann die Handlungsempfehlungen für die Manager.
Es gibt natürlich Branchen/Konzerne, in denen Innovationsprozesse eine sehr große Rolle spielen. Die Automobil- oder Pharmabranche sei beispielhaft genannt.
Mir geht es in diesem Artikel jedoch primär um den Mittelstand. Mein Eindruck ist, dass dort Innovationsmanagement tendenziell vernachlässigt wird. Sicherlich zum einen, weil man nicht über das Budget eines Großen verfügt. Es sind aber auch hausgemachte Gründe, die vermeidbar wären:
Die Hürde dabei ist – wie so oft – eine menschliche: Auch wenn ich das letzte Wort haben werde, kann ich als Inhaber es tolerieren und zulassen, dass ein Mitarbeiter mir widerspricht und mich davon abhält, meine Idee weiter zu verfolgen?
Auch mit externen Kreativen kann man in die gleiche Falle tappen. Immer dann, wenn ich
- eine Kaffeetasse in der Hand halte, von deren Griff ich ständig abrutsche,
- eine Imagewerbung sehe, die nichts mit der Realität der Firma zu tun hat, die ich als Kunde bereits kenne,
- in einem Auto sitze, indem ich mich zum Beifahrersitz bücken muss, um etwas abzustellen,
- mich in einem kalten Star-Architekten-Gebäude befinde, indem die Ausgangstür für mich das Attraktivste darstellt, …
dann habe ich wieder den Verdacht, dass Kreative ungefiltert ihre Ideen realisieren durften.
Kreativität und Innovation: Meine Empfehlungen:
Trennen Sie – personell und organisatorisch – die kreative Idee von deren Umsetzung. Koppeln Sie z. B. die Qualität der Arbeit eines externen Kreativen nicht an die Frage der internen Umsetzung bei Ihnen. Belohnen und bezahlen Sie die Kreativität als solche: Er/sie soll Sie z. B. auf neue Ideen bringen, an die Sie bislang nicht gedacht hatten.
Bedenken Sie, dass der “typische” Controlling-Gedanke sich destruktiv auf kreative Prozesse auswirken kann. Definieren Sie stattdessen gemeinsam die Spielregeln für die Beurteilung einer “guten” kreativen Arbeit!
Kreieren Sie eine Atmosphäre, in der Mitarbeiter gerne Verbesserungsvorschläge und andere Ideen einreichen, und belohnen Sie sie dafür.
Sind Sie als Vorgesetzter selbst der Ideenlieferant, dann liegt es natürlich an Ihnen, die Spielregeln zu bestimmen, die dafür Sorge tragen, dass “man” Ihre Ideen kritisch beurteilen darf, ohne dass Sie es persönlich nehmen, sodass man Gefahr läuft, Ihren Missmut zu provozieren oder gar den Arbeitsplatz zu verlieren.
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5 Kommentare zu „Kreativität und Innovation – die zwei zankenden Geschwister“
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Herzlichen Dank für die Stellungnahme zu meinem Kommentar. Ihre klärenden Erläuterungen gefallen mir wesentlich besser . Ihre Präzisierung mit den Karriere-Managern und den goldenen Fallschirmen trifft den Nagel auf den Kopf. Das Buch von Patrick D. Cowden “Mein Boss die Memme” beschreibt Paradebeispiele der Chefmisere in Grossunternehmen.
Als Dozent im Nebenamt u.a. für Systems- und Requirements Engineering oder parallel für kreative Problemlösungsprozesse kämpfe ich oft mit der Problematik, zu erklären, dass echte Innovation nur dank Kreativität möglich ist. Ob Vorhaben nun konventionell oder agil umgesetzt werden, es zählt meist nur in Time und Budget. Die Qualität kommt zu kurz, was zum Boomerang wird. Darunter leidet auch der Ausbildungsbereich als sog. Zeit- und Budgetfresser. Daraus folgt Ausbildung … meist im Selbststudium ohne Begleitung oder als Frontalunterricht (Nürnberger-Trichter). Ansätze gem. dem Lernparadigma des Konstruktivismus, welche u.a. auch die Kreativität fördern, finden da wenig Akzeptanz.
Danke Ihnen! Das, was Sie richtig beschreiben, sind typische Symptome. Aber was sind die eigentlichen Ursachen? Wie Sie auf meiner Website nachlesen können, behandle ich bei meiner Arbeit weniger die Symptome, sondern die eigentlichen Ursachen. Ich glaube den Hauptübeltäter zwischenzeitlich outen zu können: Fehlende Klärung der gegenseitigen Rollenerwartungen – hierarchisch und prozessual. Daraus resultierend: Rollenkonflikte soweit das Auge reicht.
Daher gibt es in ein und derselben Firma unterschiedliche Auffassungen darüber, ob und wie weit Qualität im Vordergrund steht (siehe bei Interesse den Beitrag: „Magisches Dreieck: Kosten – Zeit – Qualität“), genauso dahingehend, was die eigentliche Aufgabe des Produkt-Innovationsteams ist. Ist es der interne Lieferant und der Vertrieb der interne Kunde, der ihm sagt was er braucht? Oder ist es letztlich der verlängerte Arm des CEO, der die strategische Vorgabe tätigt und der Vertrieb und die Produktion sind die internen Umsetzer?
Und z.B. hierarchisch: Was kann man von einer Fachkraft – und somit Experte in eigener Sache – in Fragen der Weiterbildungs-Eigeninitiative erwarten? Und was ist eigentlich der Mehrwert eines leitenden Angestellten?
Klärt man die konfliktären Rollenerwartungen in einem Unternehmen, dann verschwinden viele Dauerbaustellen ganz von allein.
Leider (aber durchaus nachvollziehbar warum) haben sich die Dienstleister ebenfalls mit dem oben beschriebenen unlogischen Spiel arrangiert und tragen selbst dazu bei (siehe bei Interesse den Beitrag: „Trends Consulting-Branche: Realitätsverzerrung reloaded“).
Dass sich Geschwister zanken, ist seit der Bibel bekannt :-). Trotzdem sind sie Geschwister. Ich kann die Bemerkungen durchaus nachvollziehen und sie widerspiegeln gut die unterschiedliche Ausprägung oder Bedeutung, welche als Leser darin interpretiert werden kann. Und doch sind Innovation und Kreativität synonym. Beide bedeuten Erneuerung, egal in welcher Form und Ausführung. Ausserdem wird statt Innovation Innovationsmanagement in der Erklärung zum Vergleich verwendet. Hier wird also Planung, Steuerung und Kontrolle von Innovation mit Kreativität verglichen? Dies passt dann wohl weniger zusammen …
Mit Begriffen gem. Design Thinking bewegen sich die Ausführungen im Artikel vorschnell im Lösungsraum resp. bereits in der Umsetzung, statt im Verstehen, beobachten und der Synthese.
Einen wesentlichen Feind für Kreativität fehlt meiner Meinung nach … die Wirtschaft. Diese schreibt Kreativität der Kunst zu und Kunst passt weniger zu Wirtschaft, da es wohl zu unseriös und nicht Business-like klingt. Falls ein Manager zu einer Idee den Ausdruck “originell” verwendet (im Artikel wird Kreativität mit Originalität gleich gesetzt), ist dies wohl gleich bedeutend mit keine Chance.
Des Weiteren verwendet die Wirtschaft den Begriff Innovation oftmals fälschlicherweise und meint damit lediglich Veränderung oder Anpassung (alter Wein in neuen Schläuchen) – gutes Marketing, mehr nicht. Gerade die Autoindustrie ist ein typisches Beispiel für mangelnde “echte” Innovation – Ottomotor lässt grüssen. Alternativen stecken immer noch in den Anfängen, dies in über 100 Jahren (Kommentar überflüssig).
Hallo Herr Cahenzli und danke für Ihre gute Antwort.
“Hier wird also Planung, Steuerung und Kontrolle von Innovation mit Kreativität verglichen?” Nein, das war nicht meine Absicht. Die Absicht war zu verdeutlichen, dass es m. E. zwei Sorten von Ideen gibt und dass kreative Ideen wesentlich breiter gefasst sind als innovative Ideen, da letztere viel verstärkter sich mit der Umsetzbarkeit befassen. Wie auch von Ihnen – zurecht – angedeutet, haben kreative Ideen es in vielen Unternehmen sehr schwer. Daher kann man in Unternehmen “Innovationsmanagement” als Thema nebst Zuständigkeiten vorfinden aber kaum “Kreativitätsmanagement”. Und das ist die Überleitung zu Ihrem anderen Punkt:
M. E. ist nicht die “Wirtschaft” per se schuld, sondern eine bestimmte Sorte von Karriere-Managern, die verstärkt in Großunternehmen vorkommen und es dort an die Spitze schaffen. Hinzu kommen Investoren und andere Marktteilnehmer, die das Denken in Periodengewinn und -verlust kultivieren. Daher stimme ich mit Ihnen überein, dass echte Innovationen häufig fehlen (geschweige denn echte kreative Ideen) und wir es lediglich mit Marketing-Sprech zutun haben. Ausnahmen bestätigen die Regel, wozu ich z. B. den Google-Konzern zähle. Sogar weitergehend dahingehend, dass sie dort einen Raum schaffen, damit kreative Ideen entstehen können, ohne dass diese aufgrund der Umsetzbarkeitsbetrachtung ein schnelles Ende finden. Auch meine alte Branche – das Investment Banking – verfügt in aller Regel über “Think Tanks”. Häufig ist es nur ein (internes) Marketing-Sprech aber ich habe auch Zeiten erlebt (Je nach zuständiger Manager eben), in denen der eigentliche Gedanke dahinter tatsächlich gelebt wurde.
Ferner sind meiner Beobachtung nach eine beachtliche Anzahl von inhabergeführten mittelständischen Unternehmen ständig auf der Suche nach kreativen/originellen Ideen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit weiterhin zu gewährleisten. Auf das Schlechte im Guten ging ich im Beitrag kurz ein.