Anstatt Umzug, die Revitalisierung eines bestehenden Unternehmens-Standorts ist oft die bessere Wahl . Sie schont das Budget und die Nerven der Beteiligten.
Anstatt Umzug, die Revitalisierung eines bestehenden Unternehmens-Standorts ist oft die bessere Wahl . Sie schont das Budget und die Nerven der Beteiligten.

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Mitarbeitermotivation: Revitalisierung oder Umzug in ein neues Bürogebäude?

6 Min.

Oft ist die Revitalisierung eines bestehenden Standorts die bessere Wahl. Sie schont das Budget und die Nerven aller Beteiligten und ist trotzdem oder vielleicht nur deswegen motivierend für die Mitarbeiter.

Autor: Dipl. Ing. Darius Ghaffari

Eine Kurzgeschichte, die ich in meiner langjährigen Erfahrung als Architekt in ähnlicher Form oft erlebt habe.

Die Geschäftsführung der Gesellschaft nahm die anstehende Beendigung des bestehenden Mietvertrages zum Anlass, in einem repräsentativen Neubau umzuziehen.

Schnell war in einer 1A Lage auch so ein Gebäude gefunden worden und die Höhe des Mietzinses war sogar ähnlich hoch wie die des jetzigen Gebäudes. Schließlich hatte man sich vor knapp 10 Jahren in einem Immobilienboom dort angemietet und zwischenzeitlich waren die Preise für Büroimmobilien gefallen. Das neue Bürogebäude befand sich noch im Bau, aber sollte zum angedachten Umzugstermin fristgerecht fertiggestellt werden.

Im Gegensatz zu dem alten bzw. noch angemieteten Gebäude würde jeder Mitarbeiter einen hellen, freundlichen, modernen und klimatisierten Arbeitsplatz haben. Selbst die Innenwände des Hauses waren aus Glas, so dass das Außenlicht, nach Angaben des neuen Vermieters, sogar tief bis ins Gebäudeinnere eindringen kann. Im Gegensatz zu den jetzigen Räumen sollte es im Sommer im klimatisierten neuen Gebäude – trotz der großflächigen Glasfassaden – angenehm Kühl sein.
Keine Spur mehr vom Mief des jetzigen Altbaus: Der neue Arbeitsplatz unserer Mitarbeiter wird modern, hell und auf Augenhöhe mit den ersten Häusern der Stadt sein.
Sogar ein schöner begrünter Innenhof wird den Mitarbeitern zum Verweilen einladen und daran angeschlossen konnte die Kantine sogar Sitzplätze im Freien anbieten.

Zusätzlich beschloss man, sofern das Budget es zulässt, mit ausgesuchten schönen Bildern die Flure und die Eingangshalle zu schmücken.

“Eine tolle Verbesserung der Arbeitsplätze und sicherlich ein großer Motivationsschub für die Mitarbeiter wird dieser Umzug zur Folge haben”, dachte sich die Geschäftsleitung.

Nach der Unterzeichnung des neuen Mitvertrages verfasste man eine Mitteilung an alle Mitarbeiten, in der die Vorzüge des neuen Standorts und speziell dieses Hauses präsentiert wurden.
Daraufhin erwartete die Geschäftsleitung viel Lob für den eingefädelten Clou und die Verbesserung der Arbeitsumgebung.

Es kam aber alles anders, und wer hätte so etwas ahnen können?

Mehrere Gruppen der Mitarbeiter setzten sich kritisch mit dem Standortwechsel auseinander und formulierten über den Betriebsrat ihre Fragen, Wünsche und Bedenken.

Zum neuen Standort waren es im Wesentlichen folgende Punkte:

  • Längere Fahrtzeiten für viele Mitarbeiter, schließlich hatten sich viele Mitarbeiter in der Nähe des alten Standorts ihre Wohnungen angemietet.
  • Schwierige Parkplatzsituation an dem neuen Standort, schließlich gab es nach wie vor nicht ausreichend Parkplätze. Und im Gegensatz zu dem alten Standort konnte man nicht einfach auf der Straße parken.
  • Mangelnde Einkaufsmöglichkeiten, um nach der Arbeit oder in der Mittagspause einkaufen zu gehen.
  • Weiterer Weg zu einigen lokalen Kunden.

Zu dem Gebäude gab es auch im Wesentlichen folgende Punkte:

  • Die Fenster lassen sich nicht öffnen und eine Klimaanlage sah eine große Zahl der Mitarbeiter als höchst bedenklich an.
  • Die gewohnten Doppelbüros (“2-Bett-Zimmern”) sollten zum Teil gegen Großraumbüros mit Kommunikationsecken getauscht werden.
  • Bei soviel Glas käme man sich als Mitarbeiter wie in einem Aquarium oder auf dem Präsentierteller vor.
  • Wohin mit den persönlichen Gegenständen wie z.B. eigene Bilder, Kalender, Pinnwand oder Plakate, wenn keine oder nur verglaste Wände zur Verfügung stehen?
  • Gibt es in der Kommunikationsecke auch koffeinfreien Kaffee?
  • Die Teeküchen sind sehr klein und wo soll man zu Mittag essen, wenn man kein Kantinengänger ist und die Lokale im Umkreis den Ruf, überteuert zu sein, zu Recht führen?
  • Der begrünte Innenhof ist wohl kaum nutzbar, wenn jeder dort quasi unter Beobachtung steht. Und der Straßenlärm käme auch noch als Nachteil hinzu.
  • Wer soll nun die Bilder aussuchen, die in den Fluren hängen sollen?
  • Ein Betriebskindergarten wäre auch wünschenswert.
  • Über die Einrichtung eines Raucherraumes war man sich in der Mitarbeiterschaft allerdings nicht einig.

In Unkenntnis der tatsächlich vereinbarten Höhe des Mietzinses wurde der Geschäftführung – nicht öffentlich – unterstellt, völlig die Bodenhaftung verloren zu haben. Dieser teure Umzug wäre sicherlich nur durch einen Personalabbau langfristig zu finanzieren. Die Gründe für diese Annahme waren auch schnell gefunden. Das neue Gebäude sah zumindest optisch kleiner aus als der jetzige Standort und ein angeblicher Unternehmensberater war auch schon mal gesichtet worden.

Um die Situation zu entschärfen, beauftragte die Geschäftsführung mich als Architekten. Ich sollte gemeinsam mit einem neugegründeten Umzugs-Team die Rahmenbedingungen oder zumindest die Raumaufteilung so gestallten, dass diese der Bedenken der Mitarbeiter bzw. des Betriebsrates entschärft.

Das Team und ich stellten sehr schnell fest:
An dem Standort konnte man nichts mehr ändern, da ein Gebäude bekanntlich eine Immobilie ist.
Sicherlich konnte man einige Parkplätze mehr anmieten und Job-Tickets zur Verfügung stellen.
Die längeren Fahrtzeiten und der Stau in der Innenstadt waren ebenfalls unumgänglich.
Die Kantine wurde so umgeplant, dass auch die mitgebrachten Speisen dort aufgewärmt werden konnten – auch wenn kaum jemand davon Gebrauch machen wollte.

Die Raumaufteilung wurde etwa der jetzigen Situation angepasst, da nach einer Umfrage bei allen Abteilungsleitern zum Flächenbedarf das Gebäude in der Summe der Flächenwünsche hätte sicherlich aufgestockt werden müssen. Der Vermieter bedauerte den Umstand, nicht mehr Mietfläche zur Verfügung stellen zu können, war aber diesbezüglich aufgrund der geltenden Bauvorschriften machtlos.

Die Glaswände im inneren des Gebäudes wurden zum großen Teil gegen Gipskartenwände umgeplant. Dem Vermieter kam diese Umplanung finanziell entgegen, aber er behielt die Kostenersparnis zunächst für sich.
Stattdessen einigte man sich auf Innentüren mit einem schmalen Glasausschnitt, allerdings mit undurchsichtiger matter Folie beklebt, damit man sich nicht beobachtet vorkommt.

Es kamen viele Mehrkosten für den Ausbau auf das Unternehmen zu. Zum Beispiel die Mehrkosten für die Einzelregulierung der Klimaanlage. Mehrkosten für die verspätete Bekanntgabe der Mieterwünsche gepaart mit einem späteren Einzug. Zeitweise mussten Mietzahlungen für beide Gebäude gleichzeitig entrichtet werden. Nicht zuletzt wurde jede Veränderung, gegenüber den vereinbarten Mietvertrag, extra und zusätzlich vom Vermieter bzw. von den Baufirmen berechnet.
Leider hatte man vergessen, den Rückbau des alten Bürogebäudes kostenmäßig zu erfassen und dieser Punkt belastete das Umzugsbudget auch noch zusätzlich.

Wer nun glaubt alle wurden damit glücklich, der verkennt die grundsätzliche Abneigung von Mitarbeitern gegenüber räumlichen Veränderungen.

Es hat sicherlich mindestens ein Jahr gedauert bis sich die Mitarbeiter mit der neuen Situation abgefunden haben.
Die Beschwerden über die Kinderkrankheiten des Neubaus hätten ebenfalls ganze Akten füllen können.
Die Beschwerden über den neuen Kantinenbetreiber und die Gebäudereinigung möchte ich nicht weiter ausführen.
Es ist sicherlich günstiger gewesen, vor der Immobiliensuche oder zumindest vor der Unterzeichnung des neuen Mietvertrages ein Umzugs-Team und einen Architekten mit Fingerspitzengefühl einzusetzen. Noch günstiger wäre es gewesen, das vorhandene Gebäude zu modernisieren. Der alte Vermieter hätte sicherlich auch einiges an Investitionen übernommen, um den Mieter dort halten zu können. Jeder Mitarbeiter hätte diese Maßnahme begrüßt und das Unternehmen das Geld nicht nur für die Umgestaltung und Umzug, sondern bis hin zu den neuen Briefbögen gespart. Von der höheren Gewerbesteuer am neuen Standort wollen wir nicht mehr sprechen.

Oft ist die Revitalisierung eines bestehenden Standorts die bessere Wahl. Sie schont das Budget und die Nerven aller Beteiligten und ist trotzdem oder vielleicht nur deswegen motivierend.

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1 Kommentar zu „Mitarbeitermotivation: Revitalisierung oder Umzug in ein neues Bürogebäude?“

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