Die üblichen Controlling-Kennzahlen repräsentieren selten, wie ein Betrieb wirklich „tickt”. Es geht letztlich um die Frage: »Worüber müsste ich an welcher Stelle stolpern, damit ich die richtige Frage der richtigen Person stellen kann?«
Ihre Manager der operativen Einheit brauchen zeitnahe Informationen, um rechtzeitig auf negative Entwicklungen reagieren zu können. Diese Informationen werden häufig für sie/ihn in Form von Controlling-Kennzahlen aus der Finanz- und Betriebsbuchhaltung generiert, die wiederum auf steuerliche und bilanzielle Spielregeln fußen.
Was soll aber beispielsweise Ihr Leiter Vertrieb mit solchen Controlling-Kennzahlen wirklich anfangen? Wenn er z. B. vorgelegt bekommt, dass Deckungsbeitrag III, die ausstehenden Forderungen in Tagen, Rentabilitätskennziffer XY, etc. gestiegen oder gefallen sind?
Er kann lediglich eine binäre Entscheidung treffen: Wenn positiv, dann laufe erhobenen Hauptes durch den Betrieb, wenn negativ, dann zeige Aktionismus.
Aber kann er auf Anhieb die Frage “Warum” beantworten? Weiß er auf Anhieb, welchen Anteil (und Einfluss) er mit seiner Einheit daran hat, und wo er genau ansetzen müsste?
Die üblichen Controlling-Kennzahlen repräsentieren m. E. selten, wie ein Betrieb wirklich “tickt”. Manche Kosten können fallweise vom Wesen her “Erlösschmälerung” (!) bedeuten und müssten auch als solche behandelt werden. Die sollte man dann nicht separat budgetieren und/oder beliebig zusammenstreichen.
Es geht letztlich um die Frage: »Über welche Zahl müsste ich als Unternehmer an welcher Stelle stolpern, damit ich anschließend die richtige Frage der richtigen Person stellen kann?«
Und wenn es sich herausstellt, dass in Ihrem Betrieb die notwendige Zahl “X geteilt durch die Schuhgröße des Verkäufers” ist, dann ist es halt so! Der Hund sollte mit dem Schwanz wedeln dürfen!
Vielleicht bräuchte Ihr Kundenbetreuer einen frühzeitigen Hinweis, dass das Einkaufsverhalten seines Key-Accounts sich verändert.
Vielleicht bräuchte Ihr Vertriebsleiter ein Indikator dafür, ob das Umsatzplus seines Mitarbeiters auf Glück oder auf Fleiß zurückzuführen ist.
Oder auch relative: Welche Stufen läuft der produktivste Vertriebsmitarbeiter wie ab und wo weichen die anderen wie und warum davon ab?
Vielleicht bräuchten Sie als CEO und Ihr Aufsichtsorgan eine laufende Einschätzung dafür, welchen Anteil des Gewinns/Eigenkapitals die Klumpenrisiken im Vertrieb (z. B. die starke Abhängigkeit von einem Einzelkunden) schlimmstenfalls kosten könnten und wie sich die verabschiedeten Gegenmaßnahmen möglicherweise auswirken.
Warum fehlen die richtigen Controlling-Kennzahlen?
Warum hat man häufig die Indikatoren nicht, die man eigentlich bräuchte?
Meine 1. Beobachtung ist, dass die operativen Einheiten selbst die obige Frage nur schwer beantworten können, und dass sie Unterstützung brauchen. Der Vertriebler ist aus gutem Grund Vertriebler geworden. Denn genau da hat er seine Stärken.
Wenn er die notwendige Zahlenaffinität besäße, um sich vor dem inneren Auge die wirklichen Abläufe und Zusammenhänge in der Firma aus Sicht der Finanz- und Betriebsbuchhaltung vorstellen zu können, dann hätte er sich wahrscheinlich auch eine entsprechende Tätigkeit ausgesucht.
Meine 2. Beobachtung ist, dass die Controller zu stark IT-getrieben arbeiten, sprich letztlich die installierten Software darüber entscheiden, welche Controlling-Kennzahlen produziert werden. Meines Erachtens braucht man aber für das Aufsetzen eines brauchbaren MIS eine gute Portion Freigeistigkeit: Es ist hilfreich, wenn man das enge Korsett der Finanz- und Betriebsbuchhaltung kurzzeitig ablegen kann.
Meine 3. Beobachtung ist, dass die Zahlen, die man eigentlich bräuchte, selten so greifbar sind. Man muss erst die richtigen Indikatoren bestimmen, sie erheben, erfassen, zuordnen, … Das Problem kann man nur iterativ lösen mit einer Balance zwischen:
- was brauche ich wie detailliert und
- was kann und will ich mir leisten?
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2 Kommentare zu „Controlling-Kennzahlen: Wedelt manchmal der Schwanz mit dem Hund?“
Eine Ergänzung dazu:
Vielfach sind es nicht nur reine Zahlen (ökonomische Daten), die benötigt werden, sondern auch noch sog. vorökonomische Daten. Ökonomische Daten sind vergangenheitsorientiert!
Die Erweiterung besteht darin,
1. diese vorökonomischen Daten zu erheben (idealerweise direkt oder auch über den AD, die AD-Berichterstattung) und
2. sie aggregiert dem AD auch zeitnah (z.B. für die Besuchsvorbereitung) zur VErfügung zu stellen.
Absolut richtig! Sehr wichtiger Punkt. Ich hätte eine Erklärung für das Fehlen derartiger Informationen in einer “typischen” Controlling-Berichterstattung. Die Antwort fällt aber ein wenig länger aus. Ich schreibe bald einen neuen Beitrag hierzu.