Wissensmanagement & Wissenstransfer in Unternehmen: Warum scheitert der Versuch so häufig, das Wissen zu konservieren und von Person A auf B zu übertragen?
Wissensmanagement & Wissenstransfer in Unternehmen: Warum scheitert der Versuch so häufig, das Wissen zu konservieren und von Person A auf B zu übertragen?

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Wissensmanagement und Wissenstransfer im B2B-Geschäft

5 Min.

Wissensmanagement und Wissenstransfer in Unternehmen: Warum scheitert der Versuch so häufig, das Wissen zu konservieren und von Person A auf B zu übertragen?

»Wenn wir doch nur wüssten, was wir alles wissen!«

In einer Zeit, in der die Mitarbeiterfluktuation sehr hoch ist und/oder viele Mitarbeiter altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden, ist das Wissen der Mitarbeiter ein Vermögenswert, den Firmen konservieren, mehren und bei Bedarf durch Wissenstransfer von Person A auf Person B übertragen möchten.

Warum aber scheitert der Versuch so häufig?

Ein Großteil meines Berufslebens war ich im Großkundengeschäft von komplexen multinationalen Matrixorganisationen tätig. Auch in diesem Segment ist das Thema “Wissensmanagement” und “Wissenstransfer” essenziell wichtig. Damit meine ich nicht die Aggregation der GuV-Daten aus der weltweiten Geschäftsbeziehung, sondern die Aggregation des Wissens der zig Mitarbeiter, die in einer Geschäftsbeziehung involviert sind.

Ob eingekaufte oder eigene Lösungen: Die Großkonzerne, für die ich gearbeitet habe, probieren sehr viel aus, um ihre Methoden, Prozesse und/oder Infrastruktur zu diesem Zweck zu optimieren. Ausprobieren im Sinne der “Trial-and-Error-Methode”, wobei man geneigt ist, anzunehmen, dass ihre Herangehensweise darauf ausgerichtet ist, den Zustand des “Errors” erfolgreich zu verteidigen. Denn sie scheinen nichts aus ihren vergangenen Fehlern lernen zu wollen!

Warum so viele Versuche scheitern, hat meines Erachtens zwei wesentliche Gründe:

  1. Man behandelt das Thema Wissensmanagement und Wissenstransfer nur beiläufig, z. B. im Rahmen eines CRM-Projektes, und begnügt sich dabei mit der Erfassung und Weitergabe von “Informationen” anstatt von “Wissen” und
  2. der “Faktor Mensch” wird schlicht ignoriert.

Wissenstransfer: Was unterscheidet “relevantes Wissen” von “Informationen”?

Einer meiner ersten Chefs im Berufsleben hat mich in dieser Frage “leider” fürs Leben geprägt. Er hat mir nachhaltig und erfolgreich eingetrichtert, dass eine ausführliche Gesprächsnotiz zwingend zu einem Kundengespräch dazugehört, und dass diese Notiz mein Wissen wiedergeben muss.

Er sagte mir sinngemäß: »Damit Ihr Urlaubsvertreter oder Nachfolger mit den Informationen über Ihre Kundenbeziehung etwas anfangen können, muss die Information die Sichtweise des Subjekts und den Kontext beinhalten.«

Alle nachfolgenden Chefs haben interessanterweise versucht, mir genau das wieder auszutreiben. Sie sagten sinngemäß: »Sie haben wohl zu viel Zeit, weil Sie so viel Prosa schreiben. Künftig bitte nur noch Stichworte.« Natürlich hätte damals nicht geschadet, zu lernen, wie ich mein Wissen “typgerechter” und bekömmlicher präsentieren kann, aber die Grundproblematik bleibt:

Durch “Stichworte” werden lediglich Daten, bestenfalls Informationen, festgehalten, aber nicht das spezifische Wissen des Betreuers/Verkäufers über seine Kundenbeziehung. Ob man dieses Wissen besser selber in einer Notiz festhält, von einem Interviewer systematisch befragt wird, oder man das Wissen im Wege eines Dialogs an Kollegen oder einen Junior weitergibt, ist eine situative Entscheidung. Versäumt man aber einen Wissenstransfer, verschwindet das Wissen zusammen mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters.

Richtig ist, dass das, was der ausscheidende Mitarbeiter als “relevant” empfindet, nicht zwangsläufig auch von seinem Nachfolger als relevant eingestuft werden muss (und auch das ist ein Lernprozess). Aber vor dieser Wahl steht der Nachfolger erst gar nicht, wenn er kein Wissen übermittelt bekommt! Dazu ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Der Kunde eines ausgeschiedenen Kollegen ist nun Ihnen zugeteilt und Sie möchten sich anhand der Kundenakte auf Ihr erstes Kundengespräch vorbereiten. Sie finden die letzte Gesprächsnotiz Ihres Vorgängers vor. Bitte entscheiden Sie für sich selbst, welche Variante Sie lieber vorfinden möchten:

Variante I:

Habe meinen Kunden unsere Produkte A, B, und C vorgestellt. C kommt möglicherweise infrage. Wir sind so verblieben, dass ich nächste Woche ein Angebot abgebe. Umsatzpotenzial € ….

Variante II:

Im Rahmen eines früheren Besuches hatte ich Herrn K die Produkte A und B vorgestellt. Diese fand er gut, aber ihm fehlten noch einige Modifikationen. (Siehe Notiz v. …). Ich hatte damals versprochen, seine Wünsche aufzunehmen und diese beim anstehenden Produkt-Relaunch nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Zweck der heutigen Besprechung war somit die Präsentation der Neuerungen.

Im Gegensatz zu sonst habe ich Herrn K. sehr angespannt und kurz angebunden erlebt. Im Zusammenhang mit der Vorstellung der Produkte habe ich erfahren, dass er einen neuen Chef bekommen hat. Er hat mir sein Leid geklagt, dass es ihm schwerfällt, sich an die neue Situation anzupassen: Sein bisheriger Chef hat sich – wie er selbst – nüchtern, sachlich und gründlich mit Themen auseinandergesetzt und anschließend eine Entscheidung getroffen. Dabei lag der Fokus stets auf ein gesundes Preis-Leistungs-Verhältnis. Daher kamen in der Vergangenheit anspruchsvolle Produkte wie A und B gut in Frage.

Sein neuer Chef hat eine andere Herangehensweise. Er nimmt sich kaum Zeit, um sich mit einer Materie zu befassen und trifft seine Entscheidungen wohl eher impulsiv. Dabei scheint sein Fokus nicht so sehr auf Preis-Leistung zu liegen, sondern auf die Prestigeträchtigkeit der Lösung! Daher habe ich Herrn K. unser Produkt C vorgestellt. Dies vorausgeschickt, bei der Formulierung des Angebots sollten wir m. E. darauf achten, dass […]”

Lassen Sie mich raten, wie Ihre Antwort ausfällt: »Wenn ich einen Kunden übernehmen soll, möchte ich Variante II vorfinden. Aber ich selbst hätte weder Zeit noch Lust, so viel Prosa über meine einzelnen Geschäftsbeziehungen aufzuschreiben. Speziell dann nicht, wenn ich ausscheiden soll. Denn nach mir die Sintflut.«

Damit sind wir mitten im Thema “Faktor Mensch“. Darauf gehe ich gerne im zweiten Teil ein.

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Um Ihre Prozesse & den Faktor Mensch in den Griff zu bekommen und Ihre Wirtschaftlichkeit nachhaltig zu steigern, benötigen Sie ein gutes Gespür für die Zusammenhänge der einzelnen Themen. In dem Beitrag “Menschen, nicht Software, optimieren Prozesse!” habe ich deshalb für Sie visualisiert, wie die Themen meiner bisherigen Fachbeiträge und Publikationen zusammenhängen. Schauen Sie doch mal rein!

Kommentare

4 Kommentare zu „Wissensmanagement und Wissenstransfer im B2B-Geschäft“

  1. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten das Wissen eines Mitarbeiters an seinem Nachfolger weiterzugeben.
    Die alte Methode bestand darin, den Nachfolger früher einzusetzen, damit der ausscheidende und der neue Mitarbeiter eine ausreichende Übergangzeit bekommen. Wenn die beiden menschlich auf einer Wellenlänge waren, funktionierte diese Methode prima.
    Die neu Methode befasst sich eher mit Informationssysteme die von den Mitarbeitern dauerhaft gefüttert werden müssten.
    Beide Methoden kosten Geld / Arbeitszeit und der Erfolg hängt immer davon ab, unter welchen Umständen der ausscheidende Mitarbeiter das Unternehmen verlässt. Fairness zwischen AG und AN ist oft eine Zweibahnstrasse.
    Wenn es heißt “nach mir die Sintflut” nützen beide Methoden kaum.

    Ich habe sogar einen Kollegen erlebt, der in seinen Ordnern statt Geschäftsunterlagen gelochte Bananenschalen hinterließ.

  2. Sollte ich einen Kunden übernehmen, wäre mir auch die Langversion viel lieber.
    Aber, sollte ich 100 zusätzliche Kunden übernehmen müssen, die auch noch drängeln weil sie auf etwas warten mussten, würde ich die Kurzversion vorziehen.

    1. Ja, das stimmt schon. Manchmal ist so viel zu tun, dass man nur noch reagieren kann. Man hat noch nicht einmal Zeit, sich die nötigen Informationen richtig anzusehen (Var I.) geschweige denn neues Wissen anzulesen (Var. II.).

      Auf Kundenbesuch im B2B-Geschäft trifft das natürlich nicht zu, denn man sitzt zu jeder Zeit immer nur einem Kunden gegenüber! Ob für den Betreuer/ Berater/ Verkäufer eine Besuchsvorbereitung u/o -nachbereitung zwingend dazu gehören, entscheidet ihre Arbeitsroutine, die sie sich individuell im Laufe der Jahre aufbauen oder auch nicht. Ist eine Arbeitsroutine erst etabliert, stellt sich die Zeitfrage genauso wenig wie die Frage, ob man morgens Zeit hat, sich die Zähne zu putzen!

      Auch die allgemeine Affinität für das Thema Zeitmanagement spielt beim Aufbau einer solchen Arbeitsroutine eine wichtige Rolle. Ich hatte immer wieder Kollegen, die z.B. sich stets die “normale” Fahrtzeit zum Kunden heraussuchen und jedes mal und immer wieder aufs neue überrascht sind, dass es Staus gibt und dass man Zeit braucht, um einen Parkplatz zu suchen! Für sie wäre die Vorstellung, dass man die Zeit, die man für eine Vorbereitung braucht, auch (ein-)planen kann, weit entfernt.

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