Ein Experte sein zeigt sich darin, dass man vorgestern schon wusste, dass man übermorgen überflüssig sein wird und daher heute schon darauf vorbereitet ist.
Ein Experte sein zeigt sich darin, dass man vorgestern schon wusste, dass man übermorgen überflüssig sein wird und daher heute schon darauf vorbereitet ist.

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Sie sind ein Experte? Was meinen Sie damit?

6 Min.

Ein Experte für ein Thema zu sein zeigt sich darin, dass man bereits vorgestern schon wusste, dass man vermutlich übermorgen überflüssig sein wird und daher heute schon darauf vorbereitet ist.

Wie ich zu dieser Definition komme, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Auch unter Experten ist der Begriff “Experte” nicht einvernehmlich geklärt. Somit hat jeder Mensch eine eigene Vorstellung davon, was er darunter versteht. Die Komponenten, aus denen sich diese Vorstellung zusammensetzt, scheinen aber überschaubar zu sein. Gehen wir sie nachfolgend einmal kritisch durch:

1. Der Praktiker-Experte!

Die Person greift in einem bestimmten Bereich auf langjährige eigene Berufserfahrung zurück.

Die Person hat viele Situationen erlebt und viele Pferde kotzen sehen. Er spricht die Sprache der Praktiker, kann ihnen somit sein Wissen, seine Bedenken und seine Lösungsansätze gut vermitteln. Ferner hat er sich im Laufe der Jahre durch praktisches Herumprobieren ein Repertoire an neuen u/o bewährten Herangehensweisen erarbeitet. Die Lösungswege sind pragmatisch und umsetzbar.

Ein möglicher Nachteil eines solchen Experten ist, dass er womöglich am Markt vorbei ausgebildet ist, weil es Alternativen gibt, die die Person bei seinen bisherigen Arbeitgebern nicht kennenlernen konnte und die vielleicht sogar deutlich überlegen wären. Er kennt diese nicht, weil er sich die Zeit nicht genommen hatte, sich mit Alternativen auseinanderzusetzen.

Es ist in der Tat erschreckend, wie selten Mitarbeiter sich aus eigenem Antrieb fortbilden und ihr Wissen auf dem aktuellen Stand halten, weil sie der Meinung sind: »Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, sich um meine Fortbildung zu kümmern«. Dabei geht es doch um ihren Marktwert, um ihre Verhandlungsmacht gegenüber dem jetzigen u/o künftigen Arbeitgeber!

Auch ein akademischer Hintergrund scheint davor nicht zu schützen. Oder sorgt er sogar erst recht für diese Haltung!? Nach dem Motto: »Mein Wissensaufnahmesoll habe ich X Jahre lang von morgens bis abends nun wirklich übererfüllt. Fachbücher kommen mir nicht mehr ins Haus.«

2. Der Theoretiker-Experte!

Die Person hat sich in einem bestimmten Bereich umfassendes Wissen angeeignet und sie hält sich auch künftig aus eigenem Antrieb auf dem Laufenden.

Die Person besitzt ein umfassendes Wissen in einem bestimmten Themengebiet. Es gibt natürlich berufliche Konstellationen, die diesen Expertentyp besonders fördern. Professur oder Forschung seien beispielhaft genannt.

Ein möglicher Nachteil eines solchen Experten ist, dass er sich womöglich zu wenig mit der Vermittelbarkeit, Finanzierbarkeit u/o praktischen Umsetzbarkeit von neuen Ansätzen bzw. Lösungen beschäftigt.

Des Weiteren wird – von außen beobachtend – ein Phänomen besonders deutlich: Viele Theoretikerexperten scheinen neue Theorien bzw. Verfahren allein deswegen strikt abzulehnen, weil sie von einem ihrer Wettbewerber stammen. An sich eine normale menschlich-emotionale Reaktion, die weiter nicht auffallen würde, wenn wir es hier nicht mit Menschen zutun hätten, die sich i. d. R. in ihrer Selbstwahrnehmung als besonders logisch und rational betrachten.

3. Eine Kombination aus 1. und 2. …

… ist aus oben aufgeführten Gründen leider seltener als man glaubt!

Ich bin ein Fan von z. B. Professoren, die Nebenberuflich als Unternehmensberater tätig sind und somit ihr fundiertes Wissen fortlaufend dahingehend kritisch hinterfragen können, ob es an Praktiker vermittelbar u/o umsetzbar ist.

Auch Praktikerexperten, die sich über den aktuellen Bedarf ihres Arbeitsplatzes hinaus mit einer Thematik beschäftigen oder sich z. B. als Unternehmensberater selbstständig machen, fallen in diese Kategorie.


Bei den obigen drei Kategorien befinden wir uns in der Selbstwahrnehmung des Experten. Wie verhält sich das Thema aus der Wahrnehmung des Nutznießers des Expertenwissens? Dieser Perspektivenwechsel führt m. E. zwangsläufig zu der folgenden Definition:

4. Ein Experte besitzt eine hohe Problemlösungskompetenz.

Beispielsweise indem er Bedeutungszusammenhänge erkennt, sein Wissen und seine Erfahrung über Fachgebiete hinweg und vernetzt einsetzt und damit die Chance erhöht, auf eine neue bzw. innovative Lösung zu stoßen.

Ein möglicher Nachteil eines solchen Experten ist, dass er sich selbst als das unentbehrliche Zentrum der Problemlösung wahrnimmt und mit dieser Haltung eine gefährliche Abhängigkeit schafft.

Sicher erhöht ein bereites Fach- und Expertenwissen enorm die Chance, auf eine neue bzw. innovative Lösung zu stoßen, aber es ist keine zwingende Voraussetzung dafür! Firmen, die über ein funktionierendes betriebliches Verbesserungsvorschlagswesen verfügen, können hoffentlich bestätigen: Die entscheidende und zündende Idee – die alle Experten bis dato übersehen hatten – kann von einem Azubi stammen!

Wie geht der Experte mit disruptiven Innovationen um?

Egal wie die Definition ausfällt, ein Damoklesschwert schwebt über allen Experten: Disruptive Innovationen, die sein Expertentum tangieren! Sprich Innovationen, die in Zukunft den Bedarf für sein Expertenwissen womöglich vollständig verdrängen könnten.

Ein Beispiel aus eigener Erfahrung: Ich verfüge über ein fundiertes Wissen und über vielschichtige Erfahrungen bezüglich der Frage, wie man das (B2B-) Kundenmanagement und den Produktverkauf organisieren oder die Leistungsbemessung der Mitarbeiter im Kundengeschäft festlegen kann.

Aber erst im Zuge meiner Selbstständigkeit wurde mir in eigener Sache bewusst, dass ich zwar sehr viel über Outbound-Marketing weiß, aber (deswegen!?) die enormen Fortschritte der letzten 10-15 Jahre im Bereich Inbound-Marketing an mir vorbei gegangen waren. Die Erkenntnis, dass Inbound bereits heute situativ die bessere Wahl sein kann (i. e. einen höheren ROI produzieren kann) und ein Unternehmen dadurch die enorm hohen Kosten des Vertriebs nach und nach auf ein Minimum reduzieren kann, traf mich unvorbereitet.

Dies vorausgeschickt, habe ich meine eigene – sehr eng gefasste – Definition von Expertentum entwickelt:

Experte für ein Thema zu sein, zeigt sich darin, dass man vorgestern schon wusste, dass man übermorgen wahrscheinlich überflüssig sein wird und sich deshalb heute schon darauf vorbereitet.

Welcher Experte hilft bei Ihrem Problem?

Was meine eigene Arbeitsweise betrifft, versuche ich es tunlichst zu vermeiden, die Expertenposition zu besetzen! Denn ich möchte Unternehmen dazu verhelfen, autonom(er) und unabhängig(er) von externen Experten die eigenen Problemlösekompetenzen aufzubauen.

Denn ich gehe grundsätzlich davon aus, dass die Mitarbeiter an sich über die notwendige Expertise verfügen, jedoch ihr Wissen nicht bzw. nicht lösungsorientiert einbringen. Sollte das Wissen der Mitarbeiter nicht ausreichen, wird die benötigte externe Expertise passgenau identifiziert und als Wissenstransfer eingebracht.

Als erster Schritt empfiehlt sich stets die Klärung der Rollenerwartungen – an die eigene und an die der anderen. Zum Thema Expertentum hätten wir es beispielsweise mit solchen Fragen zutun:

  • Wessen Job ist es, sich auf dem Laufenden zu halten, ob es nicht woanders eine effizientere Art und Weise gibt, die Außendiensttätigkeit bzw. den Kundenkontakt zu organisieren? Der AD-Mitarbeiter selbst? Der Abteilungsleiter? Der Vertriebsgeschäftsführer? Der Unternehmer?
  • Wäre diese Anforderung im Einklang mit anderen bestehenden Rollenerwartungen an diese Person oder wird sie für Rollenkonflikte sorgen?
  • Wie viel Zeit steht dieser Person für diese Anforderung zur Verfügung bzw. was müsste vorher passieren, damit genügend Zeit zur Verfügung steht?

Gerne unterstütze ich Sie auf Ihren Weg zu einem Unternehmen mit autonomen und eigenverantwortlichen Mitarbeitern. Kontaktieren Sie mich und wir können besprechen, wie der Weg in Ihrem konkreten Fall aussehen könnte.

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Kommentare

4 Kommentare zu „Sie sind ein Experte? Was meinen Sie damit?“

  1. Ein sehr guter Ansatz Expertentum aus dieser Sichtweise zu betrachten. Ich bin der Meinung, externe Experten sinnvoll einzusetzen. Wenn ich zum Beispiel ein kaputtes Auto habe, brauche ich einen Experten der es repariert. Dies bedeutet, ich setze Experten nur da ein wo ich sie auch dringend benötige. Und auch nur für diesen Zeitraum wo ich den Bedarf habe. Je nachdem wie groß das Unternehmen ist, kann natürlich Expertentum in der Belegschaft heraus gebildet werden – muss sogar! Nur dadurch entwickelt sich die Firma weiter und spezialisiert sich auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kundschaft. Aber Experten im Bereich Steuern, Finanzen, Recht, Medizin können nur sehr große Unternehmen selbst herausbilden. KMU sind dazu in der Regel nicht in der Lage und sollten auf externe gute Berater mit Expertenwissen zurückgreifen. Wichtig ist immer, die Unabhängigkeit im Auge zu behalten und die Experten regelmäßig zu kontrollieren!

    1. Vielen Dank für die wertvollen Ergänzungen. Häufig ist es letztlich eine Frage von Aufwand- und Nutzenkalkulation und weniger von Können. Ein KMU könnte einen eigenen Buchhalter einstellen, entscheidet sich aber, die Buchhaltung aus Kostengründen outzusourcen. Dann ärgert man sich ggf. laufend über die schlechte Arbeit des Dienstleisters und die viele Zeit, die sie mit Fehlerbesprechung und -korrektur verbringen und entscheiden sich ggf. die Buchhaltung doch selbst zu machen und die Unabhängigkeit sicherzustellen.

  2. Eine gute Zusammenstellung, allerdings das hier behandelte “Expertentum” betrifft nur einen Teil der Experten, die sich mit Unternehmen, Mitarbeiter und deren Probleme befassen.
    Das Expertentum hat viele Facetten.
    Experten werden oft auch dann gebraucht, wenn es gar nicht um Probleme geht.
    Solche Experten stellen beispielsweise “Expertisen” über den Wert, Alter oder Herkunft eines Gegenstandes.
    Andere zeigen ihren Kunden die schönsten Wanderwege Region oder bringen ihre Kunden neue Sportarten bei.

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