Internationalisierung und interkulturelle Kompetenz: Wie bereitet man sich auf einen Auslandseinsatz vor und wie vermeidet man internationale Tretminen?
Im ersten Teil konnten Sie lesen, dass es m. E. im Falle einer Internationalisierung zwei gegensätzliche Strategien gibt, die funktionieren.
“Halbschwanger” ist die dritte und häufigste Methode, die jedoch am wenigsten funktioniert.
Bei der Ignoranz-Methode zieht der im Rahmen der Internationalisierung des Unternehmens entsandte Manager seine eigene Mentalität und die eigenen Gewohnheiten weiterhin konsequent durch. Er sieht auch wenig Anlass, sich weder auf die Sprache noch die Mentalität des Gastlandes einzulassen. Er nimmt es in Kauf – und hält es aus (!) – dass die lokalen Mitarbeiter ihn als “typisch ignoranten …” einstufen.
Man findet sich aber mit seiner Art ab und stellt sich darauf ein, denn schließlich arbeitet man ja freiwillig bei der Tochter einer ausländischen Firma. Die Methode funktioniert, aber man vergibt dadurch die gute Chance, alternative Denkweisen und Lösungsmuster zu erlernen und sich weiterzuentwickeln.
Bei der Halbschwanger-Methode möchte das Unternehmen, das den Weg der Internationalisierung gewählt hat, als interkulturell kompetent wahrgenommen werden. Der entsandte Manager wird daher vom Arbeitgeber weitergebildet, wie die lokalen Usancen sind.
Der Manager zeigt sich angepasst. Möglicherweise belegt er sogar einen Sprachkurs, um sich im Alltag besser zurechtzufinden. Er behält jedoch die eigenen Gewohnheiten bei und lässt sich nicht wirklich auf das Neue ein. Genau dieses vermeintlich angepasste Verhalten weckt eine entsprechend hohe Erwartungshaltung bei den lokalen Mitarbeitern, die in Folge für Enttäuschung und Frustration sorgt.
Besonders frustrierend für einen Manager ist es, wenn seine besonderen Stärken von gestern plötzlich zu Schwächen von heute werden! Man nehme beispielsweise einen jungen und erfolgreichen modernen Manager, der es gewohnt ist, mit seinem kooperativen Führungsstil seine Mitarbeiter zu begeistern. Er gibt ihnen beispielsweise Freiräume zur Entfaltung und ist offen für Kritik.
Der Frust ist vorprogrammiert, wenn er in einem Land kommt, in dem ein Vorgesetzter in erster Linie aufgrund des Alters, der Familie und des Einflusses in der Firma/Gesellschaft respektiert wird und weniger aufgrund seiner guten Leistung als Individuum. Und sein kooperativer Führungsstil wird plötzlich als Ignoranz und Arroganz ausgelegt, wenn dort ein guter Manager der ist, der seine Mitarbeiter väterlich und konsequent führt und im Gegenzug ein guter Mitarbeiter niemals seinen Chef kritisiert, sondern vielmehr seinen Respekt dadurch zum Ausdruck bringt, in dem er den Anweisungen des Chefs (blind) folgt.
Internationalisierung: Wie bereitet man sich auf einen Auslandseinsatz vor?
Die interkulturelle Weiterbildung der Firmen findet typischerweise als eine Kopfübung in Form von Schulungen statt: Man bekommt die Information, hier »nicht den Kindern über den Kopf zu streichen«, da »bei der Begrüßung sich zu verbeugen« und dort »als Mann einer Frau nicht die Hand zu reichen«.
Eigentlich aber hat das Thema mit “sich Einlassen auf das Neue und Unbekannte” zutun. Wird man z. B. nach Japan entsandt, dann geht es quasi darum, »den Japaner in sich selbst« als Persönlichkeitsanteil zu entdecken und auszuleben.
Anders gesagt, es geht m. E. nicht primär darum, zu lernen, wann man sich mechanisch wie tief verbeugen sollte, sondern darum, den Respekt und die Wertschätzung eines Japaners z. B. einem Kunden gegenüber so nachzuempfinden und zu verinnerlichen, dass in Folge der Körper wie von selbst die Verbeugung vollzieht!
Mein Tipp an dieser Stelle: Die beste Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz kostet Sie nichts! Ändern Sie einfach als Vorbereitung Ihre Gewohnheiten und begeben Sie sich in ungewohnte Situationen: Gehen Sie gerne üblicherweise mit Ihren Golf-Freunden zum Italiener, dann gehen Sie demnächst halt öfters *allein* zu einer Arbeiterkneipe und versuchen Sie dort erfolgreich Beziehungen zu gestalten.
Wie vermeidet man die internationalen Tretminen?
Ich habe zwei Anregungen für Sie:
- Über die eigenen Motive und Bedürfnisse offen und ehrlich sprechen.
Dazu eine Geschichte: In einer früheren Tätigkeit habe ich das weltweite Geschäft mit deutschen Großkonzernen verantwortet und war einmal im Jahr in Fernost unterwegs. Viele Länder, viele Städte, viele Sitzungen, jeweils wenig Zeit für ein Gespräch. Auf der ersten Reise habe ich die wenige Zeit genutzt, um Kundenlisten durchzugehen und mich über Produkte und Geschäftspotenziale auszutauschen.
Auf der nächsten Reise aber habe ich die kurze Zeit dazu verwendet, meinen lokalen Kollegen zu erklären, wie deren Gegenüber, der entsandte deutsche Manager, vermutlich “tickt”: was er mit dem Thema Pünktlichkeit verbindet, warum ich dazu rate, die Handys während des Gespräches auszumachen, warum er es gut meint, wenn er direkt “zur Sache” kommt, u. v. a. m.
Was für einen Unterschied! Es entstanden in kürzester Zeit unglaublich tiefgründige Gespräche, die uns allen ein wirkliches gegenseitiges Verständnis ermöglichten. Dieser Tipp in Kombination mit dem Tipp unten sorgt für wahre Wunder! Besonders gefreut haben mich die nachträglichen E-Mails der lokalen Kollegen, die davon berichteten, dass nun einige Knoten in schwierigen Geschäftsbeziehungen geplatzt sind und diese sich nun gut entwickeln.
- Dieser Tipp ist so banal, dass er deswegen glatt übersehen wird: Über die eigenen Unsicherheiten und Befürchtungen im Umgang mit der fremden Kultur offen und ehrlich sprechen.
Auch dazu eine Geschichte: Nehmen wir an, Sie, deutsch, Vertreter einer deutschen Firma, suchen einen neuen Lieferanten. Sie besichtigen die Produktionsstätte eines koreanischen Anbieters in China. Nun sitzen Sie beim Geschäftsessen mit dem lokalen Manager, der Ihnen nicht “chinesisch” vorkommt, sowie mit dem Vertreter der koreanischen Firma: ein Amerikaner, der viele Jahre in Korea lebt. Die Preisfrage nun für Sie: Welche Tischmanier-Regeln gelten hier?
Auch hier gibt es natürlich die »Ignoranz-ist-ein-Segen« Fraktion. Aber alle anderen sitzen und beäugen sich und hoffen, dass die Antwort auf die obige Frage sich wie ein Wunder entfaltet. Und was mache ich? Ich sage schlicht, was ist: »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber in solchen Situationen fühle ich mich unsicher, weil ich nicht weiß, welche Tischmanier-Regeln eigentlich gelten. Haben Sie auch das Problem oder bin ich der Einzige?« Sie können zusehen, wie die Verspannung verfliegt und sich eine Entspannung breitmacht. Nicht selten gefolgt von fröhlichen Anekdoten zum Thema Tischmanieren. Etwas Besseres kann Ihnen in Sachen interkulturelle Beziehungsgestaltung nicht passieren.