Man kann die unterschiedlichsten Strategien verfolgen, um das Geheimnis der Zielerreichung zu finden. Was unterscheidet nun Siegertypen von Verlierertypen?
Man kann die unterschiedlichsten Strategien verfolgen, um das Geheimnis der Zielerreichung zu finden. Was unterscheidet nun Siegertypen von Verlierertypen?

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Gehirnforschung: Zielerreichung

9 Min.

Zielerreichung: Was Siegertypen von Verlierertypen unterscheidet

In den Vorstellungen vieler Menschen herrscht die Meinung vor, dass Ziele eine Sache von rationalem Denken, also Sache des Verstandes sei.

Andere wiederum verfolgen die Strategie, dass es die Emotionen seien, die uns bei dem erreichen oder nicht erreichen unserer Ziele fördern oder hindern.

Auf diese Weise haben sich im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Theorien und Strategien entwickelt, mit denen man glaubte dem Geheimnis der Zielerreichung auf die Spur zu kommen.

Was aber ist letztendlich wirklich für die Erreichung von Zielen verantwortlich?

Erfolg ist beeinflussbar und planbar

Bereits in den 1960er Jahren fand der Psychologe Edwin A. Locke von der University of Maryland durch zahlreiche Befragungen unter Arbeitnehmern heraus, das Ziele, die konkret und spezifisch formuliert werden, besonders leistungsfördernd wirken und die Zufriedenheit erhöhen.

Die klare Vorgabe: „Erhöhen Sie den Umsatz um 10% bis zum Ende des Jahres“, bewirkt wesentlich mehr als eine unkonkrete Aussage, wie: „Geben Sie Ihr Bestes“.

Gründe, warum konkret formulierte Ziele besser erreichbar sind als allgemein formulierte werden darin gesehen, dass durch die konkrete Formulierung die Aufmerksamkeit stärker auf das Ziel gerichtet wird und konkrete Formulierungen sich besser überprüfen lassen und kurzfristige Gegenmaßnahmen ermöglichen.

Die Folge ist, dass durch die starke Aufmerksamkeit und die bessere Überprüfbarkeit sowohl die Motivation als auch das Durchhaltevermögen gefördert wird.

Erfolg wäre somit – in gewissen Grenzen – beeinflussbar und somit planbar!? Wenn das so ist, was sind dann die beeinflussbaren Größen und in welchem Umfang kann ich auf sie einwirken?

Fest steht, unsere Entscheidungen und Handlungen sind ein individueller Mix aus Ratio und Emotio, Bewusstsein und Unbewusstsein sowie egoistischer und sozialer Prägung.

Und unsere Entscheidungen und Handlungen unterliegen vielen Einflußfaktoren, die sich in unserem Gehirn teils in verschiedenen Arealen und teils in denselben Arealen abspielen.

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Unter Berücksichtigung all dieser Dinge ist die eigene Persönlichkeitsentwicklung sehr stark abhängig von einem Prozess, den man als emotionale Konditionierung bezeichnet.

Der Prozess der emotionalen Konditionierung

Dieser Prozess setzt bereits vor der Geburt ein, erfährt seine stärksten Phasen in den ersten Lebensmonaten und –jahren, entwickelt sich dann in der Kindheit bis in die späte Jugend weiter und stellt die Grundlage unserer späteren Persönlichkeit dar. Die emotionale Konditionierung ist von vier wesentlichen Bestimmungsgrößen geprägt:

Der individuellen genetischen Ausrüstung

Den Eigenheiten der individuellen Hirnentwicklung (vornehmlich vorgeburtliche und frühe nachgeburtliche Entwicklung)

Den persönlichen Erfahrungen (ebenfalls vornehmlich vorgeburtliche und frühe nachgeburtliche Erfahrungen, insbesondere Bindungserfahrungen)

Den psychosozialen Einflüssen vornehmlich im Kindes- und Jugendalter)

Aus diesen 4 wesentlichen Bestimmungsgrößen und ihrer ganz spezifischen Dynamik und Plastizität entsteht das Fundament auf dem wir später unsere Entscheidungen, unsere Handlungen und auch unsere Ziele ausrichten.

Ziele und die Abhängigkeit von der Intelligenz

Unterschieden wird hierbei in die allgemeine (fluide) Intelligenz und in die bereichsspezifische (kristalline) Intelligenz. Die allgemeine Intelligenz definiert z. B. die Schnelligkeit und Effektivität der Informationsverarbeitung im Gehirn.

Die bereichsspezifische Intelligenz hingegen definiert z. B. das Wissen aus unterschiedlichen Bereichen und seine Verfügbarkeit. Anders ausgedrückt: Jemand verfügt über eine hohe allgemeine Intelligenz, wenn er schnell denken und Probleme schnell identifizieren kann.

Um aber mit einem identifizierten Problem fertig zu werden, sollte er auch über ein umfangreiches Expertenwissen, also über ein hohes Maß an bereichsspezifischer Intelligenz verfugen. Interessant daran ist jedoch, dass ein umfangreiches Expertenwissen durchaus die Fähigkeit zu schnellem Denken ausgleichen kann. Andererseits aber eine hohe allgemeine Intelligenz durchaus dazu beitragen kann, die Aneignung von Expertenwissen zu vereinfachen.

Zusammenfassend kann man jedoch sagen: Ein intelligenter Mensch ist jemand, der schnell sieht, was Sache ist, und dem ebenso schnell einfallt, was jetzt zu tun ist, um ein Ziel erfolgreich zu erreichen.

Unser Bewusstsein

Auf die Frage, was Bewusstsein ist, hat die Wissenschaft bis heute keine eindeutige Erklarung gefunden. Fest steht aber, dass das Bewusstsein seinen Sitz in der Groshirnrinde (die ausere, ca. drei Millimeter dicke Schicht unseres Gehirns) hat und ein Sammelsurium unterschiedlichster Zustände ist, die nur das eine gemeinsam haben: Die Zustände werden bewusst erlebt und können sprachlich berichtet werden!

Wenn wir neue komplexe Aufgabenstellungen, oder neue komplexe Probleme, oder auch neue, bisher noch nicht angestrebte Ziele erreichen wollen, dann brauchen wir Bewusstsein.

Unser Unbewusstsein

Das Unbewusstsein umfasst aus Sicht der Neurowissenschaften und auch aus Sicht der experimentellen Psychologie insgesamt 6 Schwerpunkte:

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  • Alle Vorgänge der Wahrnehmung, der kognitiven Verarbeitung und der Gefühle aus unserer Zeit der Vorgeburt, des Säuglings und Kleinkindes
  • Alle vorbewussten Inhalte von Wahrnehmungsvorgängen
  • Alle unterschwelligen Wahrnehmungen
  • Alle Wahrnehmungsinhalte außerhalb unserer Aufmerksamkeit
  • Alle Inhalte des Fertigkeitsgedächtnisses (prozeduralen Gedächtnisses)
  • Alle Inhalte des Erfahrungsgedächtnisses

Stellt man sich nun die Frage, was wir auf Basis dieser neurowissenschaftlichen und experimentell psychologischen Erkenntnissen zum einen im Bewusstsein und zum anderen im Unbewusstsein alles können, so kann uns die Wissenschaft diese Frage inzwischen sehr gut beantworten:

Bewusstsein brauchen wir immer dann, wenn wir uns mit etwas Neuem oder Ungewohntem auseinandersetzen, bei dem es um die komplexe Verarbeitung von Details geht.

Unbewusst können wir Dinge und Vorgänge wahrnehmen, die nicht kompliziert sind. Wir können aber auch komplizierte Dinge ohne Bewusstsein tun, wenn Sie gut trainiert und eingeübt sind. Wir können auch Dinge unbewusst lernen, wenn wir sie regelmäßig erfahren. Wir haben Gefühle, Wünsche und Motive, die aus unserem Unbewusstsein kommen und uns antreiben, Ziele zu erreichen, wissen aber meist gar nicht warum. Und: Alles was wir vorgeburtlich und in unserer frühen Kindheit erfahren haben – so wichtig es auch gewesen sein mag – bleibt unserem Bewusstsein verschlossen.

Bleibt festzustellen, dass unser Unbewusstsein einen viel größeren Raum einnimmt als unser Bewusstsein.

Unser Vorbewusstsein

Eine sehr wichtige, aber bislang oft vernachlässigte Größe, ist unser so genanntes Vorbewusstsein. Es stellt quasi einen Übergang vom unbewussten zum bewussten dar. Ob und wie leicht etwas vom Vorbewusstsein ins Bewusstsein gelangen kann, hängt sehr stark von den bislang noch wenig erforschten “Zensoren” ab. Dabei handelt es sich um Kräfte, die den Aufruf von Bewusstseinsinhalten kontrollieren.

Diese so genannten Zensoren können einerseits den Aufruf von Bewusstseinsinhalten fordern, aber auch verhindern. Wenn letzteres geschieht, geschieht nichts anderes als das, was bereits schon Sigmund Freud als “Verdrängung” bezeichnet hat – Ein “Instrument”, das bei vielen Menschen sehr beliebt ist, um das Leben angeblich erträglicher zu machen, was aber in den meisten Fallen misslingt.

Aber auch der andere Weg, nämlich dass diese Zensoren den Aufruf von Bewusstseinsinhalten fördern, kann unangenehm sein. Dann z. B., wenn uns Sorgen schlaflose Nächte bereiten. Wir dürfen gespannt darauf sein, was uns die Wissenschaft in Zukunft zu diesen “Zensoren” noch offenbaren wird, denn eins steht bereits schon heute fest: Sie nehmen bei unserer Persönlichkeitsentwicklung einen wichtigen Platz ein.

Motive und Ziele müssen in Übereinstimmung stehen

Abschließend zum Thema Entscheidungsfindung und Lösungsansätze für komplexe Systeme können wir folgendes festhalten: Es gibt viele bewusste und unbewusste Instanzen in unserem Gehirn, die bei handlungsvorbereitenden Entscheidungen mitwirken. Dabei treten die Instanzen mit Ihren jeweiligen Argumenten in einen Wettbewerb mit teilweise ungewissem Ausgang. Es hat also keine Instanz alleine das Kommando.

Bemerkenswert ist allerdings, dass unser Bewusstsein – wenn erst einmal eine Entscheidung gefallen ist – sich diese Entscheidung selbst zuschreibt, so als gäbe es nur diese eine Instanz. Man könnte also fast meinen, dass unser Bewusstsein ein Marketinggag der Evolution ist, damit wir glauben, dass wir Entscheidungen bewusst treffen. Dennoch muss eine Grundbedingung beachtet werden, nämlich die, dass alles, was wir auf Basis der Entscheidungen in unserem Gehirn tun, in Einklang mit unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis stehen muss. Wir müssen nämlich mit dem, was wir tun, leben können!

Und weil das so ist, hat unser emotionales Erfahrungsgedächtnis immer das erste und letzte Wort. Mit anderen Worten: Was wir tun, muss im Spiegel unserer bewussten und unbewussten Lebenserfahrung plausibel und gerechtfertigt erscheinen. Können wir dies auf Dauer nicht, so werden wir psychisch krank. Es ist also unbedingt erforderlich, dass wir unsere unbewussten Motive und unsere bewussten Ziele in Übereinstimmung bringen. Und genau diese Übereinstimmung von unbewussten Motiven und bewussten Zielen führt uns zum nächsten Aspekt, der für die Erreichung von Zielen sehr wichtig ist: Die Motivation.

Motivation aus Sicht der Neurowissenschaften

Wie wir inzwischen wissen sind sowohl positive als auch negative Gefühle gesetzmäßig mit der Ausschüttung bestimmter Substanzen in unserem Gehirn verbunden.

Bei Gefühlen wie z. B. Zufriedenheit, Freude oder Glück werden u. a. Substanzen wie Serotonin oder Dopamin ausgeschüttet.

Serotonin wirkt z. B. beruhigend und angstmindernd. Dopamin wirkt z. B. beflügelnd und anregend.

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Bei Gefühlen, wie z. B. Angst oder Verzweiflung werden u. a. Substanzen wie Cortisol oder Noradrenalin ausgeschüttet. Cortisol bewirkt z. B. Stressgefühle und Noradrenalin bewirkt z. B. Bedrohungsgefühle.

Über die Ausschüttung dieser und anderer Substanzen in limbischen Zentren des Gehirns sowie über den Aktivitätszustand des limbischen Systems, ist man inzwischen in der Lage ziemlich genaue Rückschlüsse auf den Affekt- und Emotionszustand von Personen zu ziehen. Hinzu kommen körperliche Signale, die über das vegetative Nervensystem ausgelöst werden. Hierzu zählen u.a. Herzschlag und Atemfrequenz, Zittern der Hände oder ein trockener Mund.

Aus all dieses messbaren Komponenten kann man nun sehr genau das Grundprinzip der Motivationsentstehung erklären: Motivation entsteht dann, wenn bestimmte Ereignisse in der Umwelt oder im eigenen Körper durch Zentren des limbischen Systems (hauptsächlich der Amygdala und des mesolimbischen Systems) registriert werden, die dann wiederum auf Zentren unseres Gehirns einwirken, die unser Verhalten steuern.

Eine besonders interessante Erkenntnis hierbei ist, dass uns nicht das eigentliche Erleben von positiven Gefühlen oder das eigentliche Erleben negative Gefühle vermieden zu haben motiviert, sondern vielmehr das Streben nach diesen Zuständen. Es ist also die Vorstellung davon, wie wir uns auf dem Weg zur Erreichung eines Zieles fühlen, was uns motiviert. Nicht aber das Ziel selbst!

Lassen Sie uns abschließend folgendes Resümee ziehen: Bei der Motivation kommt es immer darauf an, dass unsere unbewussten Motive und unsere bewussten Ziele übereinstimmen. Nur dann sind wir zufrieden, leistungsfähig und erreichen unsere Ziele. Und nur dann machen wir eine der wichtigsten und schönsten Erfahrungen unseres Lebens: Das verfolgen selbstbestimmter Ziele und das Meistern der daraus resultierenden Herausforderungen trägt eine Belohnung in sich selbst und macht Belohnungen von außen nebensächlich.

Quelle Bilder & Text: AFNB – Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement

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1 Kommentar zu „Gehirnforschung: Zielerreichung“

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